#cordonhaus – Wie Künstler*innen mit der KI experimentrieren

„künstlich<echt>künstlich“ ist die erste Ausstellung in Ostbayern, die sich umfassend mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Bis zum 19. Januar 2025 zeigt die Städtische Galerie Cordonhaus Cham die Schau, für die Roul Kaufer Künstler*innen aus ganz Deutschland holte, von denen er sich vorstellen konnte, dass sie die Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Arbeit integrierten. Seine Ausstellung mit neun Künstler*innen fragt: Wie verändert Künstliche Intelligenz (KI) die Kunst? Es ist die allererste Ausstellung in Ostbayern, die sich umfassend mit Kunst und KI beschäftigt.

Manche der beteiligten Künstler*innen experimentierten zum ersten Mal mit KI. Gemeinsam brachten sie sich beim Workshop im Technologie-Campus CHam der Technoschen Hochschule Deggendorf auf den neuesten Stand der Technik.

Kurator Raoul Kaufer, selbst Bildender Künstler fragt: Können Künstliche Intelligenzen Kunst erschaffen? Ist das, was sie hervorbringen überhaupt Kunst? Wenn ja, ist sie echt oder falsch oder schlicht ein Surrogat? Welche Art von Faktizität, Authentizität, Originalität, Individualität wohnt der Künstlichen Intelligenz inne? Und wie steht es mit Ausdruck, Stil, Autoren- und Urheberschaft der Künstler, die KI nutzen?

Mit der Ausstellung „künstlich<echt>künstlich“ im Cordonhaus eröffnet der Kurator neun ausgesuchten Künstler*innen aus ganz Deutschland die Möglichkeit, sich über diese Fragen miteinander sowie mit Besucher*innen auszutauschen. Experten steuern im Begleitprogramm wichtige Fakten, Trends und technische Innovationen bei.

Werke mit und ohne KI

Für die Ausstellung, die am 9. November in der Städtischen Galerie Cordonhaus eröffnet wird, wählte Raoul Kaufer Künstlerinnen und Künstler, die KI bereits in ihre Arbeitsroutine integriert haben oder das zum ersten Mal tun, aber auch Arbeiten aus ihrer künstlerischen Arbeit vor KI vorstellen. Daraus ergibt sich die große Spannung von „künstlich<echt>künstlich“. Besonders reizvoll an der Ausstellung ist die Gegenüberstellung von Arbeiten mit und ohne KI bei jedem teilnehmenden Künstler.

Mit und ohne KI

Zu den teilnehmenden Künstler*innen gehören so schillernde Persönlichkeiten, wie Boris Eldagsen (Berlin), der 2023 den Sony World Photography Award ablehnte, weil er ein KI-generiertes Bild eingereicht hatte. Seine heute ikonische Promptografie „PSEUDOMNESIA | The Electrician“ wurde zu einem der berühmtesten Bilder des Jahres. Eldagsen arbeitet mit Fotografie, Video, Installation und KI. Er ist Lehrbeauftragter und Gastprofessor an internationalen Bildungseinrichtungen und bekannt durch zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.

Boris Eldagsen, PSEUDOMNESIA I | The Electrician, Promptografie, 2022, ©Boris Eldagsen, courtesy: Photo Edition Berlin
Boris Eldagsen, PSEUDOMNESIA I | The Electrician, Promptografie, 2022, courtesy: Photo Edition Berlin

Ornella Fieres (Berlin) schuf ein vollkommen künstliches Video, das Landschaften nach der Vorstellung der Künstlerin zeigt und dazu die Geschichte einer Familie erzählt. Alles, was sie zeigt, wurde von der KI nach ihren Vorgabe als Film umgesetzt. Ihre Landschaften sehen täuschend echt aus. Fieres‘ Thema ist eine Welt von gestern, gesehen durch die Brille der Algorithmen von heute. Sie bearbeitet Fotografien aus Nachlässen oder filmisches Archivmaterial mit Künstlicher Intelligenz und transferiert es so in die Gegenwart. Ihre Multimedia-Installationen wurden unter anderem im Centre Pompidou in Paris, an der School of the Art Institute of Chicago und im Kunstverein Speyer ausgestellt.

Ornella Fieres, It seems to capture the beauty and majesty of nature, 2023, ©Ornella Fieres,courtesy SEXAUER Gallery
Ornella Fieres, It seems to capture the beauty and majesty of nature, 2023, courtesy SEXAUER Gallery

Michael Franz (Berlin) legt einen Kalender mit Monatsblättern vor. Die nach seinen Prompts entstandenen Bilder der KI zeichnet er mit Buntstift nach und schafft so eine anregende Spannung zwischen analoger Technik und Künstlicher Intelligenz. Das Gros seiner Arbeiten handelt vom ästhetischen Zusammenspiel unterschiedlicher Arbeitstechniken. Dabei analysiert Franz sowohl gesellschaftliche, ökonomische und politische Entwicklungen wie auch die Herstellungs- und Vertriebslogik zeitgenössischer Kunst. Er lehrt an den Kunsthochschulen Leipzig und Nürnberg.  

Michael Franz, 2025 (Juni), 2024, ©Michael Franz
Michael Franz, 2025 (Juni), 2024

In einem großen Tableau stellt Johannes Franzen (Frankfurt a. M.) seine Arbeiten mit und ohne KI gegenüber. Das Auge ruht auf den verschiedenfarbigen Kühen und Bergen aus der Zeit bevor sich Franzen des Instruments der Künstlichen Intelligenz bediente und springt schließlich überrascht von einer KI-Kreation zur nächsten. Franzen macht sich das Prinzip des Generatoiven seit den frühen 2000er Jahren zunutze. Seit 2020 ist die generative KI zu sein bevorzugtes Werkzeug. Die daraus resultierenden konzeptuellen Werke überschreiten den Raum des Bildhaften. Franzen war Meisterschüler bei Peter Kubelka an der Städelschule in Frankfurt a. M. und in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten.

Johannes Franzen, alles+, 2023, ©Johannes Franzen
Alles KI: Johannes Franzen, alles+, 2023

Zita Habarta (München) hat sich in langen Experimentreihen am Computer einen digitalen Baukasten geschaffen, mit dem sie Informationen der uns umgebenden Welt transferiert, um daraus Neues zu entwickeln. Mit Hilfe der KI bringen ihre 2-D-Grafiken noch mehr Dreidimensionalität. Ihre Werke werden im In- und Ausland gezeigt.

Zita Habarta, ROD Cy-5#AI 33, 2024, ©Zita Habarta
Zita Habarta, ROD Cy-5#AI 33, 2024

Barbara Herold (München) gehört zu den Künstler*innen, die aus dem um die KI vergrößerten Werkzeugkasten schöpfen. Dabei wirken traditionelle Techniken nach. Durch ausgeklügelte Prompts generiert Herold die für sie so charakteristischen konstruktivistischen Bildwerke. Sie schöpft aus dem Vollen, wenn sie sie schließlich als Siebdrucke präsentiert. Barbara Herold arbeitet sowohl als Solo-Künstlerin als auch in Koproduktionen an den Schnittstellen von Mensch und Maschine, Natur und Künstlichkeit. Für ihre Simulationen und spielerischen Systeme nutzt sie Animation, Grafik, Installation und digitale Formate. Sie entwickelt unter anderem Apps für mobile devices, die u. a. als geobasierte Augmented-Reality-Installationen in München, Würzburg, Esslingen und Wien zu erleben sind. Ihre Medienkunst wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Barbara Herold, “SPACER” / HALF-CAB TS machine parts 2003, ©Barbara Herold / VG-Bild-Kunst, Bonn
Barbara Herold, “SPACER” / HALF-CAB TS machine parts 2003

Raoul Kaufer (Regensburg) hat für die Ausstellung einen Roboterarm von der KI programmieren lassen und seine eigenen Bewegungsmuster zugrunde gelegt. Jetzt agiert der um den Roboterarm imaginierte Maler (runder Kristallspiegel) zwischen Modell (Besucher*innen der Ausstellung) und Leinwand (Kristallspiegel auf Staffelei) hin und her und schafft sich seine eigenen Bilder. In einer weiteren Arbeit legt Kaufer der Bilderstellungs-KI Midjourney eigene computergenerierte Grafiken vor und weist sie an, Figuren daraus zu erstellen. Das Ergebnis ist eine phantastische Mode-Fotostrecke: Futuro-Retro. Diese stellt Kaufer nun ChatGbT vor, um den Figuren Namen zu geben und sie möglichst treffend zu beschreiben. Das Ergebnis ist ein weiterer Beitrag zu den Werkserien Kaufers, die durchweg auf Kenntnissen der Medien- und Kunstgeschichte, Philosophie, Semiotik und Ökonomie zurückgreifen – neuerdings mit KI. Er nutzt dafür sowohl analoge als auch digitale Techniken, die sich in unterschiedlichen räumlichen und sozialen Kontexten mittels Installationen, Interventionen, Bildern und Objekten spiegeln.

Raoul Kaufer, „FUTURORETRO_Model Olinara“, 2024, ©Raoul Kaufer
Raoul Kaufer, „FUTURORETRO_Model Olinara“, 2024

Michaela Lautenschlager (Regensburg) arbeitet in der Ausstellung mit einem interaktiven Gesichtserkennungstool, das Emotionen darstellt. Glückliche Gesichter, die sich der KI vorstellen, erscheinen in einem Rahmen aus überwiegend gelben Punkten. Verärgerte umkreist pures Stoppschild-Rot. Die vielseitig interessierte Künstlerin arbeitet mit digitalen Datenspuren (z. B. der Stadt Regensburg) und macht diese in Bild und Installation sichtbar. Sie studierte an der TU München Landschaftsarchitektur und absolvierte danach ein weiteres Studium als Kommunikationsdesignerin. 2021 erhielt sie das Stipendium „Junge Kunst und neue Wege“ des Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

Michaela Lautenschlager, Bildwurzel, Serie Japan, Nr. 11, 2022, ©Michaela Lautenschlager
Michaela Lautenschlager, Bildwurzel, Serie Japan, Nr. 11, 2022

Roland Schappert (Köln) ist Essayis, Bildender Künstler und Musiker. Für seine Plattencover nutzt er regelmäßg die KI. Witzig, schräg und schön, was dabei herauskommt. Mit und ohne KI arbeitet im Spannungsfeld gesellschaftspolitischer Fragestellungen und beschäftigt sich u. a. mit der Bedeutung von Kunst, kreativen Prozessen und KI im gesellschaftlichen Wandel. Seiner Arbeit „Fiction“ mit der Anmutung eines Goldmosaiks liegt eine Kugelschreiber-Kritzelei zugrunde, die hochvergrößert wurde, bis die Pixel Mosaikgröße erreichten. Dafür war keine KI notwendig. Als Bildender Künstler entfaltet er mit analogen und digitalen Medien eine spezifische Bildwerdung der Schrift, die sich für Dialogvielfalt einsetzt. Parallel zu seinen Ausstellungen im In- und Ausland veröffentlicht er als Autor hybride Textformen, Lyrik sowie Essays, u. a. regelmäßig im Kunstforum International.

Roland Schappert, o. T. (FICTION), 2023, ©R. Schappert und VG Bild-Kunst
Roland Schappert, o. T. (FICTION), 2023

Beitragsfoto: Julia Weigl-Wagner

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