„echo on survival“ – Unter der Erde ist Leben / Interview mit Barbara Sophie Höcherl

Im donumenta ART LAB Gleis 1, inszeniert Barbara Sophie Höcherl bis zum 3. Oktober 2021 das Unscheinbare. Ihre Installationen in der Ausstellung „Echo on Survival“ sind inspiriert von der Natur. 

In diesen Arbeiten unterzieht die Künstlerin ihr Material einer Analyse, untersucht seinen Charakter und prüft Möglichkeiten der Ausarbeitung und Inszenierung. Es ist ein Spiel mit der Balance zwischen organischen und anorganischen Elementen, Naturstoffen und Materialien der Konsumgesellschaft. 

Mit ihren Arbeiten kommentiert Barbara Sophie Höcherl nicht zuletzt die eigene Biografie. Bevor sie an der Westböhmischen Universität Kunst studierte, hatte sie Staudengärtnerin gelernt. Im Interview erzählt Barbara Sophie Höcherl von natürlichen Prozessen und davon wie wichtig es ihr ist, die Natur zu verstehen. 

Zunächst eine grundsätzliche und vielleicht auch schwierige Frage, liebe Barbara Sophie Höcherl. Was treibt Dich an? Wie entstehen Deine Skulpturen?

Mein Antrieb ist die Natur. Da kommt alles her und dahin geht alles zurück. Ich denke in Kreisläufen und weiß als Staudengärtnerin relativ viel über Pflanzen. Die Natur gibt mir Halt, auch als bildende Künstlerin. Es hat ein bisschen gedauert, aber heute behaupte ich, um Natur dreht sich alles. Dann stellt sich für mich die Frage, wie kann ich das formulieren? Wie kann ich das ausdrücken? 

Ich bin verrückt nach Material – Material, das ich vorfinde, Material, das von Menschen gemacht ist und Material, das ich selbst herstellen kann. Meine Arbeiten sind oft fragil, weil sie aus Naturmaterialien bestehen. Sie sind nicht für die Ewigkeit, verändern sich, und gehen vielleicht irgendwann kaputt, weil das Material Schwächen hat und – wie Schaumstoff – keine UV-Beständigkeit. Schaumstoff ist ein gutes Beispiel für einen Stoff, der massenweise vorkommt. Wir liegen und sitzen darauf. Aber wir sehen ihn nicht, weil er immer überdeckt ist. Und in dem Moment, in dem wir Schaumstoff wahrnehmen, ist der Bezug aufgerissen und das Ding, in dem er verarbeitet wurde, muss weg, wird im besten Fall recycelt. In dem Moment, in dem es für andere wertlos ist, wird es für mich interessant. Dann benutze ich es und schaffe daraus einen neuen Wert. Ich zerschneide und untersuche es, dann wird es immer recht systematisch.  

Wie näherst Du Dich dem Material, das Du für Deine Skulpturen benutzt?

Ich frage mich, mit welcher Technik ich das Material verarbeiten kann. Was ist möglich, zum Beispiel mit einem Kirschlorbeerblatt oder einem Seerosenblatt? Ich kann beide nähen, das eine problemlos mit der Maschine, das andere muss ich im frischen Zustand nähen, weil es sonst zerbricht. 

Seit vielen Jahren arbeite ich mit Naturpigmenten. Ich koche Pflanzen mit Essig ein und arbeite mit den so gewonnenen Farben. Sie faszinieren mich. Wenn man eine Blüte vor sich hat, kann man nicht unbedingt sagen, welche Farbe das wird. Und das findet jetzt eben in „Pieces of Babylon“ in der Ausstellung im donumenta ART LAB Gleis 1 seine Entsprechung. 

Da präsentierst Du Schichten von Farben und nennst dieses Werk „Pieces of Babylon“. 

Pflanzengefärbtes Wasser – „Pieces of Babylon“ (Foto: Alexander Rosol)

Das ist die Arbeit in den transparenten Kunststoffkästen. Man kann aus diesen Kästen einen Turm bauen, der aus Versatzstücken aus der Natur besteht, die im Endeffekt nur noch einen Code ihrer früheren Form in sich tragen.

Mir geht es ganz allgemein um eine verstärkte Wahrnehmung: Wie kann ich Natur neu wahrnehmen und besser mit ihr umgehen. Und mit meinen Arbeiten vielleicht auch die Aufmerksamkeit auf Diskrepanzen richten. Vieles ist irreparabel zerstört. Wir können nicht mehr zurück, wir können nur noch vorwärts. Das erfordert für die Zukunft auch neue Sichtweisen. 

Was ist am donumenta ART LAB Gleis 1 so interessant, um diese Sichtweise zu vermitteln?

Dass sich der Raum unter der Erde befindet und im botanischen Sinn somit etwas Ursprüngliches hat. Unter der Erde passiert das Elementare – Wachsen und Vergehen. Man ist im ART LAB von einer Geräuschkulisse umgeben, die irgendwie surreal und wie gefiltert wirkt. In der Ausstellung geht es auch darum, den Ausstellungsraum bewusst wahrzunehmen und sich klarzumachen, wo er sich befindet.

Was verbindest Du mit dem Titel Deiner Ausstellung „Echo on Survival“?

Echo ist Widerhall und eben auch Rückmeldung oder Antwort. Ein Echo hat aber auch etwas Verzerrtes, es ist eine in sich instabile Form.

Und „Survival“? Es geht im Endeffekt um Kreisläufe in der Natur und vor allem darum wie wir sie unter den momentanen Gegebenheiten aufrechterhalten können. Ich bin der Meinung, wir müssen neu lernen, Pflanzen zu beachten, zu sehen und von ihnen zu lernen.

Und dazu leistest Du mit der Ausstellung „Echo on Survival“ einen sehr sinnlichen Beitrag. 

Meine Ausstellung will Menschen in einen Gefühlszustand versetzen, sie für die Wahrnehmung von Natur sensibilisieren. Ich glaube wir leben in einer Zeit, in der wahnsinnig viel verloren geht, vielleicht unwiederbringlich. 

Es geht darum, Neues zu erlernen, einen neuen Blick auf die Dinge zu erhalten. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Bäume anscheinend vor allem nachts wachsen. Ich finde es wahnsinnig spannend, wie viele neue Erkenntnisse uns die Wissenschaft mittlerweile liefert. Da gibt es so viel, was buchstäblich noch im Dunkel liegt.

Was ich damit sagen will: Hey, es ist so ein fantastischer Planet. Let’s do it!

Danke Barbara Sophie für dieses Gespräch.

Kabinett der starken Bilder – Ausstellung „Lebensräume“ von Gudula Zientek in Amberg

Sich in einer Laudatio Gudula Zienteks Bildwelten zu nähern, ist ein besonderes Vergnügen. Am Freitag hatte ich anlässlich der Ausstellungseröffnung „Lebensräume“ in Amberg die Gelegenheit dazu. Die Stadt Amberg widmet der Künstlerin eine Einzelausstellung in der Alten Feuerwache beim Stadtmuseum.

Selbstportraits der Künstlerin

Neben dem fiktiven Portraitserie „du denkst nur du kennst mich“, zeigt die Ausstellung im so genannten „Schwarzen Kabinett“ den Zyklus „Böse Menschen“, weil die Karikatur oft das einzige Mittel ist, der Wirklichkeit zu begegnen. Die Illustrationen zum Märchen vom „Fischer und seiner Frau“ thematisieren die Gier und den touristischen Ausverkauf von Zienteks Wahlheimat an der Ostsee. Figuren des früheren Puppentheaters „Pupille schief“ der Künstlerin zeigen einen weiteren Aspekt ihres Schaffens. Großartig ihre ebenso skurrilen wie tiefgründigen Objektkästen aus Pappmaché, Zeitungs- und Backpapier.

Die Ausstellung in der Alten Feuerwache beim Stadtmuseum in Amberg, Zeughausstraße 18, 92224 Amberg ist bis 26. September 2021 zu sehen.

Beitragsfoto: Aus dem Linolschnitt-Zyklus „Vom Fischer und seiner Frau“

Laudatio anlässlich der Ausstellungseröffnung „Lebensräume“ von Gudula Zientek.