CHAM. Vom Werden und Vergehen erzählt die große Rauminstallation von Andreas Feist, Mariko Takahashi und Stefan Winter im Cordonhaus in Cham. Skulptur, Klang und Video reflektieren dabei Gesellschaftspolitik, Leben und Tod ebenso wie die Geschichte des Gebäudes, in dem heute die Städtische Galerie untergebracht ist.
Der ehemalige Zehentstadel der Reichenbacher Propstei war zur Zeit der französischen Revolutionskriege Soldatenunterkunft und Glied (Cordon) in einer Kette von militärschen Stützpunkten. Die Rauminstallation „Eine letzte Generation – See- und Klangwelten“ ist exakt auf die Gegebenheiten im Cordonhaus abgestimmt. Ihre Komplexität bedient alle Sinne.
Wer von der Straße aus den Hofraum des Cordonhauses betritt und die Treppe hinaufsteigt zu den Ausstellungsräumen, wird vom Geräusch des tosenden Meeres und schreiender Möwen begleitet. Verträumt landet er bald auf dem Boden einer klebrigen Wirklichkeit. Sie mag die Verbindung herstellen zwischen dem Ausstellungstitel „Eine letzte Generation – See- und Klangwelten“ und der „Letzten Generation“, die zwar inzwischen aufgehört hat, sich festzukleben, an der aber das Synonym Klimakleber noch Generationen kleben bleiben wird. Auf klebriem Boden also, verzerrt abgebildet in spiegelnden Wänden, bewegt sich der Mensch mühsam weiter. So wird ihm das Kreatürliche seiner Existenz bewußt. Wellen schlagen ihm entgegen, während er sich auf einem Steg weiterbewegt …
Feine Bildsprache
In der Konzeption ihres Gemeinschaftswerks überließen Feist, Takahashi und Winter kaum etwas dem Zufall. Allerdings, die Platten aus denen der Steg besteht, der das Publikum durch die Ausstellung führt, dienten in ihrem ersten Leben als Schalungsplatten für den Betonkörper des Kühlturms beim Kernkraftwerk OHU II. Was für ein Zufall, denn natürlich passt das alles zur feinen Bildsprache des Bildhauers Andreas Feist und der Klang- und Videokunst von Mariko Takahashi und Stefan Winter.
… Über diesen Steg also gelangen Besucherinnen und Besucher in Andreas Feists Meer aus 1.300 Bögen handgeschöpften Papiers, die akkurat zu Dächern gefaltet und in die Fugen des charakteristischen Cordonhaus-Fliesenbodens gesetzt wurden. Blau und weiß kommt uns dieses Kunst-Meer in den Farben von ruhigem Wasser und Gischt entgegen, während die Acht-Kanal-Soundinstallation aus den Lautsprechern von Takahashi und Winter vom Ursprung des Lebens erzählt.
Szenen eines Schiffbruchs
Im gegenüberliegenden Raum zeigen Winter und Takahashi ihre Drei-Kanal-Video-Installation in zufälliger Reihenfolge. Sie nennen diese „Szenen eines Schiffbruchs“, in der sie die kraftvollen Bilder aus der Kunst- und Filmgeschichte wie Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, Théodore Géricaults „Das Floß der Medusa“ oder Werner Herzogs „Fitzcarraldo“ nachstellen. Aufnahmen von Explosionen auf der Oberfläche der Sonne und dem westlichsten Punkt Europas mischen sich mit den sonoren Klängen der Erde, aufgenommen von der Raumfähre „Challanger“ und bereitgestellt von der NASA. Blau vermittelt in diesem Raum Distanz, Weite und Unendlichkeit, das Unbewusste, das Unbekannte, die Sehnsucht und die Klarheit. So allegorisch ruhig dieser Raum zunächst auch wirken mag, es entwickeln sich in ihm blutige Szenen:
„Ein Wanderer seht einsam am Strand und blickt in die Ferne. Im blutigen Sand (…) sind Umrisse von Menschen zu erkennen. Ein gestrandetes Boot liegt im Sand. Ein Körper sinkt in die Tiefe, driftet ins Blau, als würde er emporsteigen. Wellen schlagen gegen Felsen, tosen nach oben ins Firmament, wo in tiefschwarzer Nacht ein Feuerball aufglüht. “ – So beschreiben Mariko Takahashi und Stefan Winter ihr sehr komplexes und anregendes Werk, entstanden unter der Kuratie von Galerieleiterin Anjalie Chabal.
Städtische Galerie Cordonhaus Cham
10.03. bis 21.04.2024

