#cordonhaus – „Linie und Gebiet“ mit Ursula Kreutz und Günter Nosch

Günter Nosch, Ursula Kreutz und Anjalie Chaubal im Cordonhaus

Was ist eine Linie, was ein Gebiet? Heißt es „eine Landschaft“ oder „ein Landstrich“? Wo gibt es Grenzen? Im Dialog mit Betrachterinnen und Betrachtern widmet sich die Städtische Galerie Cordonhaus bis zum 3. August 2025 diesen Fragen. In der Ausstellung „Linie und Gebiet“ zeigt sie Arbeiten von Ursula Kreutz und Günter Nosch.

Ursula Kreutz und Günter Nosch stellen zum ersten Mal gemeinsam aus, wobei Günter Nosch den linken, Ursula Kreutz den rechten Flügel der Ausstellungsräumeim Cordonhaus bespielen. In der Mitte, im Foyer, begegnen sich beide Positionen und spätestens dort gewinnen Betrachterinnen und Betrachter wieder den Eindruck, dass zwei künstlersiche Positionen im Cordonhaus mehr sind als die Summe ihrer Werke. Halbstransparent und tiefgründig, das Wesen von Papier, Tusche, Persönlichkeit und Identität ergründend, führen sie durch ein gemeinsames Werk.

Die Ausstellung von Günter Nosch (*1956) und Ursula Kreutz (*1969) erkundet in einer feinsinnigen Gegenüberstellung das Spannungsfeld zwischen Linie und Fläche, Bewegung und Struktur. Unter dem Titel „Linie und Gebiet“ treten die Arbeiten der beiden Künstler in einen vielschichtigen Dialog. Nosch arbeitet mit grafischer Reduktion und rhythmischer Linienführung, die Raum und Dynamik andeuten, während Kreutz mit farblich akzentuierten Flächen und kompositorischer Dichte geografische wie emotionale Räume erschließt. Die Werke von Ursula Kreutz verbinden sich zu einer visuell-poetischen Sprache der Formen, in der Licht, Bewegung und Materialität eine entscheidende Rolle spielen.

Während einem die Arbeiten von Ursula Kreutz subtil und spielerisch begegnen, installativ an die eigenen Erinnerungen anknüpfen und Vergänglichkeit thematisieren, hat Günter Nosch ein eigenes Zeichensystem in Schwarz und Weiß entwickelt.

Geistreiche Codes

Günter Nosch beobachtet genau. Er entwickelt geistreiche Codes, stellt Wortbedeutungen auf den Kopf und wieder auf die Füße. Ob mit Tusche oder schwarzem Kabel, vielen Arbeiten Günter Noschs ist eines gemeinsam: Sie erinnern an Schriftzeichen, Schriftzüge und Schriftbilder. In seiner Werkgruppe „Landschaft schreiben“ wird das besonders deutlich. Nosch begreift Landschaft als Prozess, als sich ständig verändernde Struktur. Künstlerisch begegnet er diesem Phänomen mit kalligrafisch erzeugten Lineamenten, die Landschaft ebenso abzubilden scheinen, wie sie seismografisch ihre Veränderung nachzeichnen. „Zwischen diesen beiden Polen – dem visuellen und dem zeitlichen Abbild – bewegt sich meine Auseinandersetzung mit dem Thema Landschaft“, schreibt der Künstler über seine Arbeit.

In Günter Noschs Zeichensystem.
In Günter Noschs Zeichensystem.

Noschs Konzept „Duden dichten“ ist ein dreidimensionales Wörterbuch voller Wortwitz, doppelbödig und hintersinnig, ebenso wie die Arbeit „Transformator“ oder „Verabredetes Grün“. Der Künstler fordert dazu auf, zwischen den Zeilen zu lesen.

Wandelbare Rauminstallation

Im großen Ausstellungssaal der Städtischen Galerie Cordonhaus gestaltet Ursula Kreutz eine Rauminstallation. An den Wänden kleben Teile einer zerrissenen Fototapete. Drei Skulpturen aus Silberbronze stehen im Raum. Maskenfragmente aus Keramik hängen von der Decke. Zerschnittene transparente Vorhangstreifen, bedruckt mit dem gleichen Motiv wie die Wand, teilen den Raum. Kreutz spielt mit Metamorphose, Bild und Abbild, Portrait und Identität. Ähnlich der Momentaufnahme einer Fotografie ermöglichen die Fragmente, aus denen sich die Rauminstallation von Ursula Kreutz zusammensetzt, eines – Erinnerung an Vergangenes.

Ursula Kreutz mit massivem Keramikkopf. Immer wieder hat sie seine Konturen mit einem feuchten Tuch verwischt, um das Thema Auflösung darzustellen.
Ursula Kreutz mit massivem Keramikkopf. Immer wieder hat sie seine Konturen mit einem feuchten Tuch verwischt, um das Thema Auflösung darzustellen.

Die Nürnberger Künstlerin schöpft in ihrer Gestaltung aus vielfältigen Bezügen, die sie gleichzeitig infrage stellt. Zum zerschnittenen Vorhang, den Teilen der zerrissenen Fototapete und den Masken aus Keramik gesellen sich schließlich die drei Silberbronzen, deren spiegelnde Oberflächen die kunstvoll gestaltete Umgebung aufzulösen und zu entmaterialisieren scheinen. Besonders beeindruckend wie sinnhaft begegnet einem bereits im Foyer ein Kopf, den die Künstlerin aus einem Klumpen Ton formte. Immer wieder, wenn sie ihm, ihm noch im feuchtem Zustand begegnete, wischtre sie mit einem nassen Lappen darüber. So verschwanden Schicht für Schicht die ursprünglichen Konturen. Ursula Kreutz interessiert der Prozess der Auflösung. Schließlich konserviert sie einen Zustand dieses Kopfes gebrannt und unter silbern glänzender Glasur.

Fotos: Julia Weigl-Wagner

#cordonhaus – Drop me a Line

Wie zwei Künstlerinnen aus unterschiedlichen Generationen im Dialog eine großartige Ausstellung schaffen. „Drop me a Line“ diente als Titel, formaler gemeinsamere Nenner und Kommunikationsprinzip zugleich. „Drop me a Line“ mit Arbeiten von Jasmin Schmidt und Christine Reiter läuft bis zum 18. Mai in der Städtischen Galerie Cordonhaus Cham.

Christine Reiter und Jasmin Schmidt sind in Vielem einig. Die Hände sind wichtig. Beide arbeiten mit den Händen, formen, malen, zeichnen. Unzählige Male hat Christine Reiter das Gesicht eines auf der Straße gefundenen Handschuhs variantenreich verdichtet und überlagert in Papier geritzt und ihm so Wert und Ausdruck verliehen. Als „Rot Händle“ hat Reiter diesen Handschuh in Wachs gegossen und ihm dreidiomensional eine Form geschenkt.

Geschichten auf Loden

Jasmin Schmid faszinieren die Mudras, die indischen Handgesten in Alltag, Religion und Tanz. In „Träge Hände“ hat sie sie auf Loden verweigt. Der Stoff aus der traditionsreichen Tirschenreuther Tuchfabrikation Mehler gehört zum Kunstschaffen Jasmin Schmidts wie das Auswaschen und Übermalen. Damit der Stoff die respektable Größe ihrer Bilder erreicht und als Malgrund taugt, näht sie die Stücke erst einmal zusammen und bearbeitet den wasserabweisenden Lodenstoff solange, bis er Farbe aufnehmen kann. So enstehen beeindruckende Arbeiten, darunter ein Seebild, das die Bildergeschichte eines sinkenden Handelsschiffes vergegenwärtigt oder ein Schmuckstück aus dem Dresdner Grünen Gewölbe. Indem Jasmin Schmidt das Kleinod um ein vielfaches vergrößert, rückt sie Bedeutungen und kulturelle Zusammenhänge gerade. Sie erzählt wie ein Schulkind den Clan-Älteren vom Schatz im Grünen Gewölbe der Dresdner Residenz berichtet und damit den großen Dresdner Juwelendiebstahl von 2019 in Gang setzt.

Juwel aus dem Grünen Gewölbe auf Loden. Jasmin Schmidts Arbeit „Machtsymmetrie“ (Fotos Julia Weigl-Wagner)

Trompe-l’œil

„Krone“ nennt Christine Reiter eine Weiße Skulptur die mit unserer Vorstellung von Schwer und Leicht spielt. Das zweiteilige Trompe-l’œil scheint aus einem prorösen Stein gehauen zu sein. So täuschend echt hat die Künstlerin PU-Schaum bemalt und in Szene gesetzt. Den Deckel auf diesen vermeintlich schweren Trog hat die Künstlerin aus Pappmaché geformt, bemalt und geschliffen. Immer wieder bearbeitet Reiter Fundstücke. Wie auch bei ihrer Installation „Sitzlandschaft“. Aus Gartenmöbeln vom Sperrmüll schafft sie die perfekte Illusion einer Landschaft, mit dem Betrachter in seiner Mitte wie er am Horizont die sanft geschungene Höhenlinie wahrnimmt.

Jasmin Schmidt und Christien Reiter sind wunderbare Illusionistinnen, Spielerinnen und Seherinnen, die Horizonte öffnen. Wenn Sie sich in „Drop me a Line“ auf den gemeinsamen Nenner „Linie“ verständigt haben, dann geben sie damit den Blick frei auf einen ganzen Kosmos.

JW2 / 07.04.2025

#donumenta – Zeichnen mit Roboterarm

Der renommierten Patrick Tresset und seine Zeichen-Maschinen sind Gast des donumenta e.V. in Regensburg. Für die Inszenierung des französisch-belgischen Künstlers hatte sich Kuratorin Regina Hellwig-Schmid einen Raum gewünscht, in den man „von außen hineinschauen kann“. Jetzt können Groß und Klein ihre Nase am Schaufenster des Pop up-Raumes des Degginger in der Tändlergasse 18 plattdrücken und zusehen wie Kameraaugen rotieren, fokussieren und wie sich Roboterarme zeichnend über zweieinhalb Stunden auf Zeichenkarton bewegen. Allmählich entsteht so ein Tableau aus Roboterzeichnungen mit signaturähnlichem Strich in der linken unteren Ecke. Tressets Arbeiten sind auf der ganzen Welt zu sehen, darunter im Centre Pompidou in Paris, in der Tate Modern in London oder im Mori Museum in Tokyo.

Was das Kameraauge sieh
Auf drei historischen Zeichentischen ruhen die Apparaturen aus Roboterarmen und Kameraaugen. Vor weißen Wänden sind Tierpräparate aus dem Naturkundemuseum Ostbayern arrangiert: Reh, Eule, Biber, Eichhörnchen, Fuchs, Pfau, Iltis und Krähe. In der Mitte der Inszenierung ist ein memento mori aus Spielzeugrobotern, Totenköpfen und einer Muschel zu sehen. Die Tierpräparate stehen in dieser Inszenierung für Natur und Vergänglichkeit, während sie anmutig und spielerisch auf die Technik treffen.

Distanz zur Emotion 
Mit seinen Zeichenmaschinen ahmt Tresset menschliche Fähigkeiten nach. Die Faszination des Künstlers für Computer begann bereits im Alter von neun Jahren. Überwältigt von Spontaneität und emotionalen Momenten des künstlerischen Schaffens, wechselte er nach seinem Kunststudium am Goldsmith-College in London zum Technikstudium in das Department of Media. Für mehr Distanz zum eigenen Malprozess entwickelt er seit mehr als 20 Jahren Zeichenroboter.

„Der Roboter zeichnet einfach weiter, was er sieht“, sagt Tresset und lässt sich durch Spontaneität und Emotion nicht aus dem Konzept bringen. Das ist die Motivation, die Tresset dazu brachte das Zeichnen an den Roboter zu delegieren und ihm seinen eigenen Zeichenstil einzuprogrammieren. Heute verfolgt der Künstler mit großem Interesse, wie Menschen reagieren, wenn sie dem Roboter beim Zeichnen zusehen und die so erzeugten Werke später an der Wand betrachten. Als Regisseur, Dramaturg und technischer Mastermind seiner theatralischen Inszenierung bestimmt er das Geschehen zwischen den Zeichenrobotern und den Modellen. Seine Installationen zeigen einen möglichen Weg, die Technik zu beherrschen und sie konstruktiv einzusetzen.
#donumenta – Zeichnen mit Roboterarm
Der renommierten Patrick Tresset und seine Zeichen-Maschinen sind Gast des donumenta e.V. in Regensburg. Für die Inszenierung des französisch-belgischen Künstlers hatte sich Kuratorin Regina Hellwig-Schmid einen Raum gewünscht, in den man „von außen hineinschauen kann“. Jetzt können Groß und Klein ihre Nase am Schaufenster des Pop up-Raumes des Degginger in der Tändlergasse 18 plattdrücken und zusehen wie Kameraaugen rotieren, fokussieren und wie sich Roboterarme zeichnend über zweieinhalb Stunden auf Zeichenkarton bewegen. Allmählich entsteht so ein Tableau aus Roboterzeichnungen mit signaturähnlichem Strich in der linken unteren Ecke. Tressets Arbeiten sind auf der ganzen Welt zu sehen, darunter im Centre Pompidou in Paris, in der Tate Modern in London oder im Mori Museum in Tokyo.

Was das Kameraauge sieht
Auf drei historischen Zeichentischen ruhen die Apparaturen aus Roboterarmen und Kameraaugen. Vor weißen Wänden sind Tierpräparate aus dem Naturkundemuseum Ostbayern arrangiert: Reh, Eule, Biber, Eichhörnchen, Fuchs, Pfau, Iltis und Krähe. In der Mitte der Inszenierung ist ein memento mori aus Spielzeugrobotern, Totenköpfen und einer Muschel zu sehen. Die Tierpräparate stehen in dieser Inszenierung für Natur und Vergänglichkeit, während sie anmutig und spielerisch auf die Technik treffen.

Distanz zur Emotion 
Mit seinen Zeichenmaschinen ahmt Tresset menschliche Fähigkeiten nach. Die Faszination des Künstlers für Computer begann bereits im Alter von neun Jahren. Überwältigt von Spontaneität und emotionalen Momenten des künstlerischen Schaffens, wechselte er nach seinem Kunststudium am Goldsmith-College in London zum Technikstudium in das Department of Media. Für mehr Distanz zum eigenen Malprozess entwickelt er seit mehr als 20 Jahren Zeichenroboter.

„Der Roboter zeichnet einfach weiter, was er sieht“, sagt Tresset und lässt sich durch Spontaneität und Emotion nicht aus dem Konzept bringen. Das ist die Motivation, die Tresset dazu brachte das Zeichnen an den Roboter zu delegieren und ihm seinen eigenen Zeichenstil einzuprogrammieren. Heute verfolgt der Künstler mit großem Interesse, wie Menschen reagieren, wenn sie dem Roboter beim Zeichnen zusehen und die so erzeugten Werke später an der Wand betrachten. Als Regisseur, Dramaturg und technischer Mastermind seiner theatralischen Inszenierung bestimmt er das Geschehen zwischen den Zeichenrobotern und den Modellen. Seine Installationen zeigen einen möglichen Weg, die Technik zu beherrschen und sie konstruktiv einzusetzen.


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Patrick Tresset: Tableau aus Roboterzeichnungen
Information: Ausstellungszeitraum: 5.-30. Juni 2024, Mi-So, 14.00 – 19.00 Uhr, Pop up-Raum, Degginger, Tändlergasse 18, Regensburg Matinee & Podium mit Ausstellung der computergenerierten Zeichnungen von Patrick Tresset:
21. Juli 2024, 11.00 – 13.00 Uhr mit
Wouter Wahl (Leiter Naturkundemuseum Ostbayern),
Barbara Sophie-Höcherl (Künstlerin),
Elisabeth Peterlik (Künstlerin).
Moderation: Regina Hellwig-Schmid
Ort: Naturkundemuseum Ostbayern, Am Prebrunntor 4, 93047 Regensburg.