# lebensgeschichte – Max Bresele: Utopist und Idyllenstörer

Max Bresele und Wolfgang Herzer in Uckersdorf

Biografie des Bildhauers Max Bresele / herausgegeben vom Kunstverein Weiden e.V. / verfasst von Julia Weigl-Wagner / Herzliche Einladung zur Buchvorstellung am 19. März 2025 um 18.00 Uhr, M26, Maximilianstraße 26 in Regensburg im Programm der Internationalen Kurzfilmwoche Regensburg.

„Idyllenstörer Max Bresele“ – unter diesem Titel erschien jetzt meine Biografie des oberpfälzer Künstlers Max Bresele (1944 – 1998), herausgegeben vom Kunstverein Weiden e.V. Bresele war Künstler, sein Leben ein Kunstwerk. Der Bildhauer, Filmemacher und Assembleur verarbeitete, was er fand. So manche Idylle durchkreuzte Bresele mit breitem Stift, Skalpell oder Scharfkantigem vom Schrottplatz. Sein Œuvre richtet sich gegen Krieg und Konsum.

Mitgestalter einer Ästhetik des Widerstands

Auf die Frage, wer Max Bresele war, formuliert Wolfgang Herzer, Vorstand des
Kunstvereins Weiden, zumindest zwei Perspektiven auf den Künstler: „Durch die eine Brille sieht man eher den sozial aus-dem-Ruder-geratenen Menschen, der sich mit Kunsthandwerk über Wasser hält. Eine andere Brille offenbart einen Kunst-Utopisten, der aus seiner Vision ernst macht.“ Bresele, der gelernte Offset-Drucker, war dadaistisch radikal. Wie kein anderer in der Oberpfalz repräsentiert er die Kunstströmungen der 70er und 80er Jahre. Er war Mitgestalter der Ästhetik des Widerstandes am Bauzaun der in Wackersdorf bei Schwandorf geplanten Wiederaufbereitungsanlage atomarer Kernbrennstäbe aus Atomreaktoren (WAA).

Ein Stall als Behausung

15 Jahre lang lebte er am Rande einer Öko-Land-Kommune in einem aufgelassenen Stall. Dieses Gebäude war bis zu seinem Tod 1998, eingebettet in eine Garten-Wildnis, nicht nur Produktionsstätte von Gemälden, Büchern, Möbeln, Objektkästen, Dada-Fahrzeugen (Karren der Depression), Filmen, Musikstücken, Assemblagen, absurden landwirtschaftlichen Werkzeugen und vielem anderen. Dieser Stall war auch Behausung eines Lebens aus dem Geist der Kunst.

Nach seinem Tod rettete der Kunstverein Weiden das Werk des Aussteiger-Künstlers vor der Vernichtung und wurde dessen Nachlassverwalter. Mehr als 1.000 Artefakte Breseles lagern in einem Speicher in Etzenricht bei Weiden. Beim Kunstverein Weiden e.V. ist ein provisorisches Max-Bresele-Museum mit Gemälden, Objektkästen, und Skulpturen eingerichtet. Auch im Kunstpartner GbR-Schaulager von Wilma Rapf-Karikari und Ingo Kübler

in Adlmannstein (www.kunstpartner.eu) finden Interessierte eine Reihe von charakteristischen Bresele-Werken.

Weigl-Wagner, Julia: Idyllenstörer Max Bresele, hrsg. v. Kunstverein Weiden e.V., 2025 – 104 Seiten mit Abbildungen als Paperback, 14,99 Euro (ISBN 978-3-00081-665-9) und E-Book 7,99 Euro (ISBN 978-3-384-53366-1) – zu beziehen über Kunstverein Weiden e.V., Ledererstraße 6, 92637 Weiden, Telefon 0151 61481710 E-Mail info@kunstvereinweiden.de oder den Buchhandel.

Titel der Max-Bresele-Biografie (Gestaltung Florian Toperngpong)

#cordonhaus – Wie Künstler*innen mit der KI experimentrieren

„künstlich<echt>künstlich“ ist die erste Ausstellung in Ostbayern, die sich umfassend mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Bis zum 19. Januar 2025 zeigt die Städtische Galerie Cordonhaus Cham die Schau, für die Roul Kaufer Künstler*innen aus ganz Deutschland holte, von denen er sich vorstellen konnte, dass sie die Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Arbeit integrierten. Seine Ausstellung mit neun Künstler*innen fragt: Wie verändert Künstliche Intelligenz (KI) die Kunst? Es ist die allererste Ausstellung in Ostbayern, die sich umfassend mit Kunst und KI beschäftigt.

Manche der beteiligten Künstler*innen experimentierten zum ersten Mal mit KI. Gemeinsam brachten sie sich beim Workshop im Technologie-Campus CHam der Technoschen Hochschule Deggendorf auf den neuesten Stand der Technik.

Kurator Raoul Kaufer, selbst Bildender Künstler fragt: Können Künstliche Intelligenzen Kunst erschaffen? Ist das, was sie hervorbringen überhaupt Kunst? Wenn ja, ist sie echt oder falsch oder schlicht ein Surrogat? Welche Art von Faktizität, Authentizität, Originalität, Individualität wohnt der Künstlichen Intelligenz inne? Und wie steht es mit Ausdruck, Stil, Autoren- und Urheberschaft der Künstler, die KI nutzen?

Mit der Ausstellung „künstlich<echt>künstlich“ im Cordonhaus eröffnet der Kurator neun ausgesuchten Künstler*innen aus ganz Deutschland die Möglichkeit, sich über diese Fragen miteinander sowie mit Besucher*innen auszutauschen. Experten steuern im Begleitprogramm wichtige Fakten, Trends und technische Innovationen bei.

Werke mit und ohne KI

Für die Ausstellung, die am 9. November in der Städtischen Galerie Cordonhaus eröffnet wird, wählte Raoul Kaufer Künstlerinnen und Künstler, die KI bereits in ihre Arbeitsroutine integriert haben oder das zum ersten Mal tun, aber auch Arbeiten aus ihrer künstlerischen Arbeit vor KI vorstellen. Daraus ergibt sich die große Spannung von „künstlich<echt>künstlich“. Besonders reizvoll an der Ausstellung ist die Gegenüberstellung von Arbeiten mit und ohne KI bei jedem teilnehmenden Künstler.

Mit und ohne KI

Zu den teilnehmenden Künstler*innen gehören so schillernde Persönlichkeiten, wie Boris Eldagsen (Berlin), der 2023 den Sony World Photography Award ablehnte, weil er ein KI-generiertes Bild eingereicht hatte. Seine heute ikonische Promptografie „PSEUDOMNESIA | The Electrician“ wurde zu einem der berühmtesten Bilder des Jahres. Eldagsen arbeitet mit Fotografie, Video, Installation und KI. Er ist Lehrbeauftragter und Gastprofessor an internationalen Bildungseinrichtungen und bekannt durch zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.

Boris Eldagsen, PSEUDOMNESIA I | The Electrician, Promptografie, 2022, ©Boris Eldagsen, courtesy: Photo Edition Berlin
Boris Eldagsen, PSEUDOMNESIA I | The Electrician, Promptografie, 2022, courtesy: Photo Edition Berlin

Ornella Fieres (Berlin) schuf ein vollkommen künstliches Video, das Landschaften nach der Vorstellung der Künstlerin zeigt und dazu die Geschichte einer Familie erzählt. Alles, was sie zeigt, wurde von der KI nach ihren Vorgabe als Film umgesetzt. Ihre Landschaften sehen täuschend echt aus. Fieres‘ Thema ist eine Welt von gestern, gesehen durch die Brille der Algorithmen von heute. Sie bearbeitet Fotografien aus Nachlässen oder filmisches Archivmaterial mit Künstlicher Intelligenz und transferiert es so in die Gegenwart. Ihre Multimedia-Installationen wurden unter anderem im Centre Pompidou in Paris, an der School of the Art Institute of Chicago und im Kunstverein Speyer ausgestellt.

Ornella Fieres, It seems to capture the beauty and majesty of nature, 2023, ©Ornella Fieres,courtesy SEXAUER Gallery
Ornella Fieres, It seems to capture the beauty and majesty of nature, 2023, courtesy SEXAUER Gallery

Michael Franz (Berlin) legt einen Kalender mit Monatsblättern vor. Die nach seinen Prompts entstandenen Bilder der KI zeichnet er mit Buntstift nach und schafft so eine anregende Spannung zwischen analoger Technik und Künstlicher Intelligenz. Das Gros seiner Arbeiten handelt vom ästhetischen Zusammenspiel unterschiedlicher Arbeitstechniken. Dabei analysiert Franz sowohl gesellschaftliche, ökonomische und politische Entwicklungen wie auch die Herstellungs- und Vertriebslogik zeitgenössischer Kunst. Er lehrt an den Kunsthochschulen Leipzig und Nürnberg.  

Michael Franz, 2025 (Juni), 2024, ©Michael Franz
Michael Franz, 2025 (Juni), 2024

In einem großen Tableau stellt Johannes Franzen (Frankfurt a. M.) seine Arbeiten mit und ohne KI gegenüber. Das Auge ruht auf den verschiedenfarbigen Kühen und Bergen aus der Zeit bevor sich Franzen des Instruments der Künstlichen Intelligenz bediente und springt schließlich überrascht von einer KI-Kreation zur nächsten. Franzen macht sich das Prinzip des Generatoiven seit den frühen 2000er Jahren zunutze. Seit 2020 ist die generative KI zu sein bevorzugtes Werkzeug. Die daraus resultierenden konzeptuellen Werke überschreiten den Raum des Bildhaften. Franzen war Meisterschüler bei Peter Kubelka an der Städelschule in Frankfurt a. M. und in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten.

Johannes Franzen, alles+, 2023, ©Johannes Franzen
Alles KI: Johannes Franzen, alles+, 2023

Zita Habarta (München) hat sich in langen Experimentreihen am Computer einen digitalen Baukasten geschaffen, mit dem sie Informationen der uns umgebenden Welt transferiert, um daraus Neues zu entwickeln. Mit Hilfe der KI bringen ihre 2-D-Grafiken noch mehr Dreidimensionalität. Ihre Werke werden im In- und Ausland gezeigt.

Zita Habarta, ROD Cy-5#AI 33, 2024, ©Zita Habarta
Zita Habarta, ROD Cy-5#AI 33, 2024

Barbara Herold (München) gehört zu den Künstler*innen, die aus dem um die KI vergrößerten Werkzeugkasten schöpfen. Dabei wirken traditionelle Techniken nach. Durch ausgeklügelte Prompts generiert Herold die für sie so charakteristischen konstruktivistischen Bildwerke. Sie schöpft aus dem Vollen, wenn sie sie schließlich als Siebdrucke präsentiert. Barbara Herold arbeitet sowohl als Solo-Künstlerin als auch in Koproduktionen an den Schnittstellen von Mensch und Maschine, Natur und Künstlichkeit. Für ihre Simulationen und spielerischen Systeme nutzt sie Animation, Grafik, Installation und digitale Formate. Sie entwickelt unter anderem Apps für mobile devices, die u. a. als geobasierte Augmented-Reality-Installationen in München, Würzburg, Esslingen und Wien zu erleben sind. Ihre Medienkunst wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Barbara Herold, “SPACER” / HALF-CAB TS machine parts 2003, ©Barbara Herold / VG-Bild-Kunst, Bonn
Barbara Herold, “SPACER” / HALF-CAB TS machine parts 2003

Raoul Kaufer (Regensburg) hat für die Ausstellung einen Roboterarm von der KI programmieren lassen und seine eigenen Bewegungsmuster zugrunde gelegt. Jetzt agiert der um den Roboterarm imaginierte Maler (runder Kristallspiegel) zwischen Modell (Besucher*innen der Ausstellung) und Leinwand (Kristallspiegel auf Staffelei) hin und her und schafft sich seine eigenen Bilder. In einer weiteren Arbeit legt Kaufer der Bilderstellungs-KI Midjourney eigene computergenerierte Grafiken vor und weist sie an, Figuren daraus zu erstellen. Das Ergebnis ist eine phantastische Mode-Fotostrecke: Futuro-Retro. Diese stellt Kaufer nun ChatGbT vor, um den Figuren Namen zu geben und sie möglichst treffend zu beschreiben. Das Ergebnis ist ein weiterer Beitrag zu den Werkserien Kaufers, die durchweg auf Kenntnissen der Medien- und Kunstgeschichte, Philosophie, Semiotik und Ökonomie zurückgreifen – neuerdings mit KI. Er nutzt dafür sowohl analoge als auch digitale Techniken, die sich in unterschiedlichen räumlichen und sozialen Kontexten mittels Installationen, Interventionen, Bildern und Objekten spiegeln.

Raoul Kaufer, „FUTURORETRO_Model Olinara“, 2024, ©Raoul Kaufer
Raoul Kaufer, „FUTURORETRO_Model Olinara“, 2024

Michaela Lautenschlager (Regensburg) arbeitet in der Ausstellung mit einem interaktiven Gesichtserkennungstool, das Emotionen darstellt. Glückliche Gesichter, die sich der KI vorstellen, erscheinen in einem Rahmen aus überwiegend gelben Punkten. Verärgerte umkreist pures Stoppschild-Rot. Die vielseitig interessierte Künstlerin arbeitet mit digitalen Datenspuren (z. B. der Stadt Regensburg) und macht diese in Bild und Installation sichtbar. Sie studierte an der TU München Landschaftsarchitektur und absolvierte danach ein weiteres Studium als Kommunikationsdesignerin. 2021 erhielt sie das Stipendium „Junge Kunst und neue Wege“ des Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

Michaela Lautenschlager, Bildwurzel, Serie Japan, Nr. 11, 2022, ©Michaela Lautenschlager
Michaela Lautenschlager, Bildwurzel, Serie Japan, Nr. 11, 2022

Roland Schappert (Köln) ist Essayis, Bildender Künstler und Musiker. Für seine Plattencover nutzt er regelmäßg die KI. Witzig, schräg und schön, was dabei herauskommt. Mit und ohne KI arbeitet im Spannungsfeld gesellschaftspolitischer Fragestellungen und beschäftigt sich u. a. mit der Bedeutung von Kunst, kreativen Prozessen und KI im gesellschaftlichen Wandel. Seiner Arbeit „Fiction“ mit der Anmutung eines Goldmosaiks liegt eine Kugelschreiber-Kritzelei zugrunde, die hochvergrößert wurde, bis die Pixel Mosaikgröße erreichten. Dafür war keine KI notwendig. Als Bildender Künstler entfaltet er mit analogen und digitalen Medien eine spezifische Bildwerdung der Schrift, die sich für Dialogvielfalt einsetzt. Parallel zu seinen Ausstellungen im In- und Ausland veröffentlicht er als Autor hybride Textformen, Lyrik sowie Essays, u. a. regelmäßig im Kunstforum International.

Roland Schappert, o. T. (FICTION), 2023, ©R. Schappert und VG Bild-Kunst
Roland Schappert, o. T. (FICTION), 2023

Beitragsfoto: Julia Weigl-Wagner

#lebensgeschichte – der Junge mit dem Wespenstich

Noch bis zum 25. Februar zeigt die Städtische Galerie Cordonhaus Cham Werke von Rudi Tröger. Landschaftsbilder, Gartenstücke und Portraits des früheren Kunstprofessors an der Akademie in München vermitteln Stimmung, Persönlichkeit und Charakter. So etwa das Portrait „Wespenstich Andreas, von 1987/97“.

Sammler Andreas Pahler war ein besonderer Gast bei der Midissage der Chamer Ausstellung. Sein Elternhaus stand in der Nachbarschaft Rudi Trögers. Ebenso wie seine Geschwister saß Pahler dem Künstler wiederholt Modell. Er muss ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein, als ihn während einer Sitzung eine Wespe stach. „Am oberen Bildrand ist sie noch zu sehen“, sagt Pahler und freut sich über das Portrait.

Andreas Pahler vor seinem Portrait als 10-Jähriger (Foto: Julia Weigl-Wagner)

Galerist Fred Jahn erinnert sich daran, wie viele Jahre es dauerte, bis Tröger den Kunsthändler endlich in sein Atelier einlud. Dabei wollte Tröger mit seinen Bildern gar keine Geschäfte machen. Ehefrau Klara kaufte die Arbeiten ihres Mannes regelmäßig wieder zurück und erklärte: „Wir wollen unsere Bilder nicht verkufen.“

Dr. Michael Semff vom Vorstand der Tröger-Stiftung charakterisiert den Künstler als humorvoll, aber nicht beredt. Er hob die eigenständige Position Rudi Trögers hervor, der sich nicht an Strömungen orientierte, vielmehr dem Prozess des Malens folgte. Endlos hätte er überarbeitet, abgekratzt und wieder übermalt. Ein häufig wiederholter Kommentar Rudi Trögers zu Positionen zeitgenössischen Kunstschaffens soll gewesen sein: Das kann man schon machen.“

Ausser in der Städtischen Galerie Cordonhaus Cham sind Trögers Arbeiten aktuell im British Museum in London zu sehen. Die Ausstellung „Gesture and Line“ zeigt bis zum 1. April die Arbeiten von deutschen und österreichischen Nachkriegskünstlern.






















































































































#lebensgeschichte – Mit einer Leiter kommt man überall hin

Regina Hellwig-Schmid ist Künstlerin und Kuratorin. In einem Seitenaltar der Regensburger Schottenkirche St. Jakob realisierte sie die Installation „himmelwärts“ – raumgreifend, poetisch, nahbar, aus Seide, einem Material so stark und so reissfest wie kaum ein anderes.

„Mit einer Leiter“, sagt die Künstlerin, „kommst Du überallhin. Ganz nach oben, aber Du musst auch in den Gulli schauen können. Die Leiter in der Schottenkirche ist eine Lebensleiter. Oben wird es enger.“
Zu sehen ist die Installation „himmelwärts“ noch bis 31. Oktober 2023 in der Schottenkirche St. Jakob, Jakobstraße 3, 93047 Regensburg, 8 bis 18 Uhr.

Foto:
Regina Hellwig-Schmid

#lebensgeschichte – Interview über die biografische Arbeit mit Margot Luf

Vielen Dank, Stefan Voit, für das Interview über meine biografische Arbeit mit der Münchner Künstlerin Margot Luf. Hat Spaß gemacht. In „Lichtung – ostbayerisches Magazin“ ist das Interview über „Ein Sterntalerleben“ jetzt zu lesen.

Was mich an Margots Leben besonders fasziniert, hat mich Stefan gefragt. Natürlich musste ich überlegen, denn es gibt an Margot vieles, was mir gefällt. Ihre Spontaneität, ihre Freude am Ausprobieren, am meisten hat mich jedoch ihre Freude am Dialog begeistert. Wir hätten endlos weiterreden können.

aus: lichtung – ostbayerisches Magazin, Oktober 2023

Weigl-Wagner, Julia: Margot Luf – ein Sterntalerleben, 2023, 173 Seiten, 15,00 Euro, erhältlich bei Kunstpartner, Wilma Rapf, Altenthanner Straße 1, 93170 Adlmannstein

Werke von Margot Luf sind aktuell noch bis zum 29. November 2023 in der Ausstellung „Rhythmisaches Spiel zwischen Skulptur und Farbe“ der Volksbank Mittlerer Neckar eG in Nürtingen zu sehen.

Medienkunst: Barbara Herold verführt digital

Als wären es Geschichten aus 1001 Nacht, pulsieren die aus unendlich vielen Farbflächen zusammengesetzten Teile von Blüten über die Fliesen der ehemaligen Unterführung am Hauptbahnhof in Regensburg. „Transcendent Echoes of Transcendent Realms“ nennt Barbara Herold ihre Augmented Reality Installation im donumenta ART LAB Gleis 1. Für die digitale Rauminstallation der Medienkünstlerin ist die 60 Meer lange ehemalige Bahnhofsunterführung, der Ausstellungsraum des donumenta e.V. in Regensburg, ein idealer Raum.

Herold kennt die wirkungsvollen Methoden der Verführung zwischen realer und digitaler Welt. Magisch wirkt ihre Augmented Reality Installation mit den sich endlos wiederholenden Bewegungen und Farben. Wer noch weiter hineintauchen möchte in dieses Gefühl von Schwerelosigkeit, lädt die App (QR-Code am Eingang in die Ausstellung) auf sein Smartphone und holt sich so Barbara Herolds Welt immer wieder in die eigene, phantastisch und verführerisch.

Außer in Regensburg waren Arbeiten der Medienkünstlerin Barbara Herold in diesem Jahr auf der resetNOW, der 6. Biennale der Künstlerinnen im Haus der Kunst in München ebenso vertreten wie auf der SaarART, dem Laboratorium des Instituts für Aktuelle Kunst in Saarlouis.

Nur noch bis 29. Oktober, Mi – So, 14 – 19 Uhr im donumenta ART LAB Gleis 1, Hauptbahnhof Regensburg

weitere Infos unter: http://www.donumenta.de

Kunst schaut hin – Interview mit Christian Schnurer

Der Münchner Künstler Christian Schnurer (geb. 1971 in Schwandorf) ist bekannt für seine Arbeiten im öffentlichen Raum. Seine Installationen und Interventionen sind gesellschaftpolitisch motiviert. Um Krieg, Flucht, menschenverachtende oder die Freiheit missachtende Politik zu kommentieren. Diese Interview führte ich anlässlich seiner Video-Installation und Skulpturen aus Hunderten von Rettungswesten im donumenta ART LAB Gleis 1 am Hauptbahnhof in Regensburg und im Bahnhofsumfeld. „Salva Vida – HOTSPOT“ läuft vom 18. September bis zum 18. Oktober, mittwochs bis sonntags 14 bis 19 Uhr.

Welches Ereignis war für Sie als Künstler ausschlaggebend, sich mit dem Thema Migration und Seenotrettung zu beschäftigen?

2004 gab es eine Seenotrettung, die mich sehr beschäftigt hat. Das war als die Cap Anamur II 37 Geflüchtete rettete und der Kapitän in die Fänge der italienischen Staatsanwaltschaft geriet, weil er ohne Erlaubnis in einen sizilianischen Hafen einfuhr. Seitdem ist das Thema in meinem Fokus und ich habe grundsätzlich über die Außengrenzen Europas nachgedacht. 2010 war die erste große internationale Arbeit dazu entstanden. Mit dem Amphibienfahrzeug „Mathilda“ fuhr ich 2010 anlässlich der Kulturhauptstadt Istanbul von München an den Bosporus.

Es hat tatsächlich lange gedauert, eine künstlerische Antwort auf das Thema Grenzen Europas und Seenotrettung zu finden, weil es so schwierig ist, damit umzugehen, so unmöglich, so tragisch. Es ist nichts, was zu Ende geht, es ist immer bitter und man kann keinen Humor hineinlagen. Das ist bis heute schwierig.

Der Münchner Künstler Christian Schnurer: Die Schwimmweste ist zur Ikone für die Rettung von Geflüchteten geworden.
(Foto: Bodo Mertoglu)

Mit Ihrem Projekt „Salva Vida“ kooperieren Sie mit der Gemeinde Lesbos. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?

Die Kooperation besteht aus der Überlassung von 4.000 Schwimmwesten. Anfang 2016 wollten wir Schwimmwesten für Installationen im öffentlichen Raum, um die Willkommenskultur aufrecht zu erhalten in einer Situation, die schon am Kippen war.

Der Kontakt kam zustande, als wir Hilfsgüter nach Lesbos transportiert haben, hauptsächlich Kleidung. In dem Moment war die Situation relativ durchlässig, ein hoffnungsvoller Moment.

Auf Lesbos lagerten damals auf einer auf Müllhalde ungefähr eine Million Schwimmwesten, jede einmal gebraucht. Dieses Bild ging mir nicht aus dem Kopf. Ich wollte mit diesen Schwimmwesten arbeiten, fragte, ob ich 4.000 dieser Westen haben könnte und kam schließlich mit einem Empfehlungsschreiben der Stadt München.

Für die Gemeinde Lesbos war das auf der anderen Seite eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit in Zentraleuropa auf diese Situation aufmerksam zu erhalten. So kam dieser Vertrag zustande. Warum er überhaupt geschlossen werden musste? – Die Schwimmweste war zum Archetypen, zur Ikone für die Rettung von Geflüchteten geworden. Schwimmwesten waren begehrt. Damals waren sehr viele dran um damit zu arbeiten; Künstler, Theater, Upcycling Projekte, Hilfsorganisationen, etc..

Was kann Kunst in diesem Zusammenhang bewegen?

Kunst hat schon immer versucht, ihre Stimme  gegen Krieg und Ungerechtigkeit zu erheben. Der Versuch die Welt zu retten ist meistens gescheitert. Als Künstler konnten wir keinen einzigen Krieg und kein Leid verhindern. Auf der anderen Seite ist die Kunst ein Weg, die Öffentlichkeit zu zwingen, die Augen dorthin zu richten. – Den Fernseher kann man ausschalten, aber einer Aktion im Öffentlichen Raum kann man sich niemand entziehen. Das  löst Emotionen aus, positive wie negative, gute Diskussionen oder tätliche Angriffe gegen die Kunst – auch das muss man aushalten.

Wie sehen Sie die Situation im Hotspot Camp Moria auf Lesbos heute im Vergleich zu damals vor fünf Jahren?

Wir haben das Thema nicht mehr so wie damals täglich in den Nachrichten. Auf der anderen Seite haben wir in Moria auf Lesbos heute einen Hotspot, der auf 3.000 Menschen ausgelegt ist und in dem 20.000 Flüchtlinge leben. Die Zustände sind schlimmer als etwa in Jordanien, in der Türkei oder der Ukraine. Unsere Politik hat 2015 als Deutschland und Österreich die Grenzen öffneten ein freundliches Gesicht gezeigt. Heute zeigen wir eine hässliche Fratze. – Deutschland das Traumziel und Europa die Hoffnung für viele.

Wir leben eine bigotte Leitkultur, weil wir uns auf humanistische Werte berufen, die wir gleichzeitig missachten. 

Die Installation „Salva Vida – HOTSPOT“ im Donumenta ART LAB Gleis 1 wird sich sehr stark medial zeigen: Fotomaterial. Rauminstallationen aus Schwimmwesten, Filmaufnahmen. Wird der Raum wirken?

Zum ersten Jahrestag der 1. Jahrestag der Grenzöffnung zu Ungarn war die Aktion „Sommergrüße vom Wolfgangsee“ ein Anschlag auf dieses deutsch-östereichische Wirtschaftswunderidyll mit der schwimmenden Insel aus 800 Schwimmwesten vor dem „Weissen Rössl“. Wir zeigen diese Aktion als Videoprojektion in einer morbiden Raumsituation unter den Bahngleisen jetzt zum 5. Jahrestag dieser historischen Entscheidung.

Wie hat sich die Wahrnehmung Ihres Projekts verändert?

Jetzt ist ein guter Moment, um das ganze Projekt etwas neutraler und mit Abstand zu sehen und die einzelne Stationen in ihrem Verlauf aufzublättern und neu zu bewerten.

Meine Installation „Platz der Leitkultur“ von 2017 wird neu inszeniert im Umfeld des Regensburger Bahnhofs. Andere Aktionen werden als Fotodokumente gezeigt oder in Dokumentationsvideos des Filmemachers Lorenz Kloska. Ich bin gespannt, ob die Empfindlichkeit des Publikums immer noch da ist, oder ob die Gewöhnung alle weiteren Reaktionen abgestumpft hat.

Danke für das Interview Christian Schnurer.

Foto: „Platz der Leitkultur“, Installation aus Rettungswesten. (Julia Weigl-Wagner).