Industriedenkmäler in der Oberpfalz – ein Online-Ortstermin

Eigentlich sollte der Ortstermin in Maxhütte-Haidhof stattfinden, im Garten von Franz Schmidkunz. Der Kunsthistoriker lebt mit seiner Familie in einer der ehemaligen Direktorenvillen des früheren Eisenwerks. Sein Einsatz ist ein Beispiel für die vielen privaten Initiativen, die sich in der Oberpfalz des industriellen Erbes annehmen. #denkmalnetzbayern #BayerischerLandesvereinfürHeimatpflege

Zeugnisse der Eisen-, Glas- und Porzellanindustrie sowie der Maxhütten in Haidhof und Sulzbach-Rosenberg waren Thema beim Online-Osrttermin des Denkmalnetz Bayern beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. (Screenshot Julia Weigl-Wagner)

Im Online-Symposium am Freitag stellt Initiatorin und Moderatorin Dr. Birgit Angerer die Frage, wie das Engagement für die Industriegeschichte in der Oberpfalz gebündelt werden könne. Sie gibt einen Überblick über Publikationen und Statements, formuliert den Status quo und streift hoffnungsvolle bis traurige Kapitel im Umgang mit dem industriellen Erbe der Oberpfalz.

Die Papierfabrik in Alling – ein Beispiel

Die Papierfabrik in Alling sei so ein Beispiel. Spezialisiert auf die Herstellung von Endlospaier ist die Industrieanlage mit der Geschichte von Verlag und Druckerei Friedrich Pustet in Regensburg verbunden. – Das Ensemble mit Bahnhof, Werkssiedlung und Produktionsgebäuden bei Regensburg verfalle zusehens. Auf der anderen Seite lobt Birgit Angerer die Staatlichen Industriemuseen in Bayern, das Textilmuseum in Augsburg, das Porzellanikon in Selb oder das Glasmuseum im niederbayerischen Frauenau. „Eigentlich wäre es angesagt, dass es auch in der Oberpfalz so ein Museum gäbe und wenn dann jemand argumentiert, dass es in Regensburg ja das Haus der Bayerischen Geschichte gibt, dann ist das tatsächlich kein Ersatz“, sagt Angerer.

Arbeiterhäuser nach Modellen auf der Pariser Weltausstellung

Die Redner des Online-Symposiums bestärken diese Position. Ernst Braeutigam von der Bayerischen Ingenieurekammer Bau, zuständig für die Oberpfalz, gliedert Eisen, Glas, Porzellan und Verkehrswege und bringt Vorschläge für Fahrradtouren. Ortsheimatpfleger Matthias Hammerl aus Teublitz nimmt sich die Glasschleife in Münchshofen vor. Franz Schmidkunz spricht über Chancen und Versäumnisse in der Industriestadt Maxhütte Haidhof, zeigt Werksanlagen, Direktorenvillen, Parks mit Blickbeziehungen bis nach Schwandorf oder Münchshofen und Abeiterhäuser, die nach Modellen errichtet wurden, die Werksdirektor Ernst Fromm von der Weltausstellung in Paris mitgebracht hat.

Beitragsfoto: Cordula Kerlikowski, 2019

Update – Baukultur in der Oberpfalz

Zwei Kataloge – ein Titel „Aktuelle Architektur der Oberpfalz“, Band I und IV. Dazwischen liegen 20 Jahre. Der aktuelle Band ist doppelt so dick und doppelt so interessant.

Wer sich mit beiden Publikationen beschäftigt, erfährt, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Während sich Architektinnen und Architekten vor 20 Jahren im Kampf gegen den Flächenfraß gebauter Scheußlichkeiten auf die reine Form konzentrierten, um an den Kern einer neuen Baukultur zu gelangen, beflügelt heute eine neue Freiheit das Bauen in der Oberpfalz. – So wie beim Verwaltungsgebäude der Ziegler Group in Plössberg. Dort sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, weil es kein Wald ist sondern ein Haus. Aus vertikal aneinander gereihten Baumstämmen formen Brückner & Brückner Architekten die massive wie filigrane Hülle lichtdurchluteter Arbeitsräume. Der Blick hinaus ins Freie verbindet 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Zieglerschen Produkt. Holzstämme soweit das Auge reicht. „Im Dunkeln leuchtet das Haus wie eine hölzerne Laterne im Wald.“ – Das ist Poesie, nicht nur Holzwirtschaft, umgesetzt in ein Haus.

Feiner Monolith, in der Ortsmitte gelandeter Meteorit

Einen feinen wie monolithischen Akzent setzt die FIT AG in die Monotonie eines Gewerbegebiets. Das Unternehmen für additiven Fertigung findet im Architekturbüro Berschneider + Berschneider einen innovationsgetriebenen Sparringspartner, der wie die FIT AG weit über das rein Technische hinausgeht. – Stellen Sie sich eine Blumenwiese vor, die aufrecht vor Ihnen steht. So sieht der 26 Meter hohe Würfel aus, der mit perforierten und anodisierten Edelstahlblechen verkleidet ist. Abhängig von der Außentemperatur changieren sie zwischen grün, gelb, orange und rot.

Wie der Erstling ist auch die das neue „Best-Of“ vom Amberger Büro Wilhelm herausgegeben. Band IV liegt gut in der Hand, hat in jeder Hinsicht Gewicht und eine ansprechende Grafik mit viel Weißraum. Öffentliche Bauten wie Bildungs- und Kultureinrichtungen, Büro- und Verwaltungsgebäude sind weit stärker vertreten als das Wohnen. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass eingetreten ist, was Architekturjornalist Enrico Santifaller im Band I, erschienen 2000, kritisierte: „Es mangelt bisher am Vertrauen der Behörden, es hapert am Interesse der Öffentlichkeit, es fehlt bis heute die Initiative von Seiten der Bauherren und der Politik. Dem Gestaltungsbeirat in Regensburg fehlen bislang Nachfolger in anderen Oberpfälzer Städten“.

Und heute? Das öffentliche Bewußtsein für qualitätvolle Architektur ist gewachsen. Mit dem Konzerthaus Blaibach, ein (Ent)Wurf des Architekten Peter Haimerl ist ein Meteorit aus Sichtbeton in der Ortsmitte gelandet. Sein Fliegendens Schlachthaus auf Stelzen als multifunktionaler Treffpunkt für die Bewohner der Gemeinde Brand ist mehr als nur ein Haus. Es ist ein Instrument zur Revitalisierung eines Ortes.

Vereinszeichen der Oberpfälzer Architekten: Der spitze Hut

Der Markt Lapperdorf bei Regensburg hat Manfred Blasch mit der Planung für sein Kulturzentrum beauftragt. Das Ergebnis ist das Kulturzentrum Aurelium, ein Bau mit goldgelb schimmernder Außenhaut und überregionaler Ausstrahlung. Ein weiteres starkes Beispiel aus dem Kulturbetrieb – dieses Mal allerdings eine private Initiative – ist das Kunstpartner Schaulager. Die Planschmid-Architekten Birgit Rieger und Willi Schmid verwandelten das Dachgeschoss eines historischen Stadels in einen Schauraum für die Nachlässe regionaler Künstlerinnen und Künstler. Die halbtransparente Lattung und die dahinterliegende blaue Fassade wirken wie ein Dialog zwischen Diesseits und Jenseits – ein außergewöhnlich gelungener Ort.

In seinem Vorwort zu Band IV hat Till Briegleb den Spitzhut als Vereinszeichen der Oberpfälzer Architekten ausgemacht. Der großzügige Bautyp des Stadels werde hauptächlich im kulturellen Kontext gebraucht, als Identifikationszeichen, „wenn eine schlüssige Idee mit Ortswert formliert werden soll.“ Beispiele sind das Arelium in Lappersdorf, die Kulturhalle in Berching (Kühnlein Architektur) und das Schaulager in Adlmannstein. Kühnlein Architekten benutzt das Stadeldach auch im Wohnbau. Es ist eine Referenz an „die lokale Verbundenheit der oberpfälzer Architekten, ihrem Ehrgeiz (…)Tradition und Heimat in moderne Qualitäten zu verwandeln“, schreibt Briegleb.

Bauen ist Dialog mit der Umgebung, mit Menschen, Natur und dem kulturellen Erbe. „Aktuelle Architektur der Oberpfalz – Band IV“ bietet einen phantastischen Spaziergang für die Augen, darunter preisgekrönte Arbeiten wie etwa ein Wohnhaus aus Holz in Neumarkt in der Oberpfalz von Kühnlein-Architekten aus Neumarkt (Bundeswettbewerb Holzbau plus) auf dem Umschlag . „Erst war nix – jetzt is a bissl was.“ – So nüchtern, sachlich und oberpfälzisch, erklärte Herausgeber Wilhelm Koch vor mehr als 20 Jahren seine Motivation zum Band I. Jetzt ist viel mehr.

Warum? Seit den 90er Jahren traten Architektinnen und Architekten in einen öffentlichen Dialog über Baukultur und Gesellschaft. Wenige Jahre vorher hatten sie Vereine für Baukultur gegründet, in Regensburg den „Architekturkreis“, in Weiden, Sulzbach-Rosenberg und Amberg die „Gruppe Architopf“. Der Band I von „Aktuelle Architektur in der Oberpfalz widmete diesen Initiativen doppelseitige Portraits. Welche Früchte dieses Engagement trägt, zeigt Band IV.

Aktuelle Architektur der Oberpfalz Band IV – Beispiele aktueller Baukultur
Format: 21,0 x 28,0 cm
Umfang: 184 Seiten
Ausstattung: Otabind-Broschur, Fadenbindung
Erscheinung: 2021
ISBN: 978-3-948137-27-4
Preis: 19,80 Euro