#donumenta – Kunst im gläsernen Container

„Wir bringen Kunst zu den Menschen.“ Mit dem Projekt „donumenta ART LAB on the Move“ bringt der donumenta e.V. Kunst an Orte, an denen kulturelle Angebote fehlen. In Königswiesen startet er mit dem Werk der Dresdner Künstlerin Patricia Westerholz – zur Freude der ganzen Nachbarschaft. – Jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr lädt der Verein mit Brezen und Kaffee zum Gespräch.
 
Am Freitag war die Skulptur „Thinking like a Mountain“ im Beisein von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer gefeiert worden. Maltz-Schwarzfischer lobte das Engagement des donumenta e.V. außerhalb der Altstadt. Christian Janele, Stadtrat, Immobilienmakler und Vertreter der Eigentümergemeinschaft am Theodor-Heuss-Platz, erinnerte daran, dass der Platz bis vor Kurzem als Parkplatz genutzt wurde. Kunst schlage Brücken zu Menschen unterschiedlicher Herkunft, bedankte er sich bei der Künstlerin Patricia Westerholz.

Kunst außerhalb der Altstadt
Regina Hellwig-Schmid, Vorsitzende und Kuratorin des donumenta e.V., freute sich über die Gastfreundschaft am Theodor-Heuss-Platz. Für sie gebe es nichts Schöneres als mit der Kunst an Orten zusammenzukommen, an denen man sonst aneinander vorbei gehe.
Seit „Thinking like a Mountain“ aufgebaut ist, streift kaum jemand ohne neugierige und fragende Blicke an dem quaderförmigen Kunstraum mitten auf dem Platz. Nachts leuchtet der gläserne Container verführerisch.

Geheimnisvolle Strukturen
Die gebürtige Landshuterin Patricia Westerholz machte sich mit Kunst im öffentlichen Raum einen Namen. Ihr Material ist der Papierstapel, in den sie hinein- und aus dem sie herausschneidet.

Skulptur von Patricia Westerholz

So entstehen geheimnisvolle Strukturen aus Schatten und Licht. Patricia Westerholz schafft dreidimensionale Objekte, die Glücksgefühle hervorrufen, wenn man sich in sie hineindenkt und immer mehr erkennt. Im öffentlichen Raum des Theodor-Heuss-Platzes in Regensburg sind es Buchstaben, die in dicke Platten geschnitten und in der Tiefe der gläsernen Box strahlenförmig angeordnet sind. Wer genau hinschaut, erkennt in diesem kunstvollen Arrangement aus Cutouts Buchstaben und liest den Titel des Werks – „Thinking like a Mountain“. Die Künstlerin erklärt ihre Inspiration so: Der amerikanische Förster und Wissenschaftler Aldo Leopold prägte die Idee, wie ein Berg zu denken und damit einen ganzheitlichen Blick auf die Umwelt zu lenken. Abgesehen davon assoziierte Westerholz die Bergmetapher beim Anblick Königswiesens hoch über der Domstadt.

Treffpunkt Kunst: Der donumenta e.V. lädt zu Kaffee, Brezen und zum Gespräch.


Bauernmarkt und barrierefreie Bushaltestelle
Die Skulptur erregt die Aufmerksamkeit der Königswiesener Nachbarschaft um den Theodor-Heuss-Platz, die in Einfamilien-, Reihen-, größeren Mietshäusern oder Senioreneinrichtungen lebt. Bei Kaffee oder Tee wird erzählt, wie es sich so lebt in Königswiesen Süd, dass ein Bauernmarkt schön wäre zwischen den Linden auf der einen und dem Hegenauer Park auf der anderen Seite. Dass es Bänke zum Ausruhen bräuchte, der Brunnen wieder fließen sollte und die Bushaltestelle barrierefrei besser wäre.

Samstagstreffen: 11:00 – 13:00 Uhr: 11.5., 18.5., 25.5., 1.6., 8.6.,15.6., 22.6.
Ausstellungszeitraum: 04.05.2024 – 23.06.2024

#cordonhaus Elektrisch und eklektisch – zwei Berliner Maler in Cham

Es gibt sie noch, die Malerei – trotz der medialen Bilderflut im Alltag des 21. Jahrhunderts. Die Bildkonstruktion mit Pinsel und Farbe auf Leinwand schafft eine besonders emotionale Begegnung mit dem Dargestellten, egal, ob figürlich oder abstrakt. Entscheidend ist die Wirkung der Malerei sowie ihre zeitgenössische Qualität. Axel Geis und Paul Wesenberg ist es mit ihren jeweils völlig unterschiedlichen Werken gelungen, diese neue Bildqualität zu formulieren. Die Ausstellung „The Third Element“ ist bis zum 16. Juni 2024 in der Städtischen Galerie Cordonhaus zu erleben.

In der Dynamik des Meltingpots Berlin entwickelten Axel Geis und Paul Wesenberg neue Positionen für die Malerei des 21. Jahrhunderts. Der Berliner Kurator und Kunstkritiker Christoph Tannert beschreibt die Großstadt seit dem Mauerfall als „Pluriversum höchst unterschiedlicher ästhetischer Perspektiven“. Dabei nehme die Malerei in diesem System eine ausgesprochen wichtige Position ein – mit Axel Geis und Paul Wesenberg als deren „typische Protagonisten“.

Für eine neue Erfahrung mit der Malerei

Während Geis im Rückgriff auf Kunst- und Kulturgeschichte in der Manier eines post-, postpost- oder neo-modernen Künstlers gestaltet, experimentiert Wesenberg auf der Leinwand zwischen Zwei- und Dreidimensionalität.

Die Bilder von Axel Geis sind ein Destillat aus der Geschichte der Malerei. Geis mischt das Romantische, Geheimnisvolle, Situative und Subjektive. Die Körperhaltung seiner Figuren reflektiert das Innere, die Gefühle, das Dasein. Dabei greift Geis auf Topoi aus Film- und Kunstgeschichte, Literatur und Popkultur zurück. „Beim Versuch zu kopieren geht einiges schief“, bekennt Axel Geis augenzwinkernd: „So entsteht mein Bild.“ – Eklektisch zeigen seine teils großformatigen Werke einen viruosen Strich.

Paul Wesenbergs Werk changiert zwischen der hochreflektierten Position als Maler und einer großen Lust, sein Bild möglichst wirkungsvoll zu präsentieren. Zwischen diesen Polen oszilliert seine Arbeit auch formal. Mal abstrakt, mal konkret, mal pastos, mal transparent bietet die Leinwand dem Maler unendlich viele Möglichkeiten im Dialog mit seinem Publikum.  Als Krönung seines experimentellen Spiels mit dem Malgrund dringen Wesenbergs Bilder in den Raum vor. In so enannten Wunderbildern kehrt Wesenberg um, was malerei bisher bedeutete. Betrachterinnen erkennen Bildisse und Farbe in den Rissen einer Leinwand. Wesenberg spielt mit Bilderwartungen, kehrt Gewissheiten der Bildbetrachtung um. Schließlich führt er den Beweis, dass Farbe schweben kann – mittels Elektrizität, mittels Induktion. Als Objektkästen oder Installationen schweben seine Bilder schließlich über dem Boden, statt an der Wand zu hängen – für eine neue Erfahrung mit der Malerei.

Axel Geis

Seine malerische Haltung entwickelte Axel Geis (*1970 in Limburg/Lahn) an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und an der Kunsthochschule in Mainz. Das Werk des Berliner Malers befindet sich in öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter des Musée National d’Art Moderne Centre Pompidou in Paris. Es ist in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zusehen.

Paul Wesenberg

Paul Wesenberg (*1973 in Minsk, Belarus) studierte zunächst an der Hochschule für Kunst in Minsk und später an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Wesenberg arbeitete in Finnland, Schweden und Deutschland als Werbegrafiker für große Marken wie Samsung oder Hugo Boss. Das Werk des Berliner Malers ist in Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen.

Städtische Galerie Cordonhaus Cham, Propsteistr. 46, 93413 Cham

Tel.: 0941 8579-420, http://www.cordonhaus-cham.de

Öffnungszeiten Mi – So und Feiertage 14 – 17 Uhr, Do 14 – 19 Uhr

Annäherung an das Florale – Der Maler Jörg Schemmann und der Fotograf Günther Derleth in Eichhofen

In der Alten Mühle in Eichhofen treffen im Mai zwei bildnerische Positionen des Floralen aufeinander, ein Maler und ein Fotograf, Jörg Schemann und Günter Derleth. In der aktuellen „Lichtung – Das Ostbayerische Magazin“ (2/2024) ist jetzt mein Text über die beiden Künstler erschienen.

Zwei Künstler zelebrieren Blühendes

Jörg Schemmann (*1959 in Hagen) malt mit Pinsel, Günter Derleth (*1941 in Nürnberg) mit Licht. Erst scheint es so, als hätten die beiden Künstler nichts miteinander zu tun. Doch so unterschiedlich ihr Weg zum Bild auch sein mag, sie schulen unsere Sehweise, mahnen unsere Augen mal in die Ferne zu schauen, um dann wieder zu fokussieren, verführen uns dazu, den jeweiligen Gegenstand loszulassen, um ihn gleich wieder einzufangen oder aber – draufzubleiben, lange, um zu sehen, was passiert.

Während ich versuche, das Wesentliche der beiden Positionen zu ergründen, schiebt sich vor mein geistiges Auge ein Bild, das mir in Japan begegnet ist. Auf einer Hochebene in den japanischen Alpen steht eine begehbare Lochkamera aus verwittertem Holz. Sie ist das Relikt eines Foto-Workshops für Kinder. Ein kleines Loch in der dunklen Kammer gibt den Blick frei auf das malerische Motiv mit Bergen, einem See, Sträuchern, Bäumen und Blumen. Diese unbeschreiblich schöne Landschaft hat nur einen Makel. Sie steht auf dem Kopf.

Vielleicht liegt in dieser begehbaren Lochkamera in Japan der Schlüssel zum Verständnis der beiden Positionen, die Daniela Schönharting, Kuratorin der Mühlenkunst verbindet. Beide zelebrieren in der ehemaligen Kunstmühle Blühendes – anmutig und doch frei von jeglicher Überhöhung. Beide bedienen sich einer gewissen Unschärfe, um den Charakter ihrer Motive zu erfassen. Bei beiden scheint die Zeit still zu stehen. Das wirkt hinein ins Betrachten.

In den 90er Jahren verließ der gelernte Werbefotograf Günter Derleth die Welt der hochglänzenden Tiefenschärfe, um sich dem Ursprung der Lichtbildnerei zu nähern. Derleths Fotogramme und Camera obscura-Arbeiten zeigen große Tiefe und leise Bewegung. Palmkohl, Rosenkohl, ein Christrosenblatt – ausgebreitet auf lichtempfindlichem Papier, fotografieren und entwickeln sich diese Motive selbst. Nach fünf Tagen „erntet“ der Fotograf. Die verwunschen verwischte Vergänglichkeits-Ästhetik seiner Stillleben erzielt Derleth mit Lochkamera und zehn Minuten Belichtung, festgehalten unter anderem im prämierten Band „… immer viel Licht“, ausgezeichnet in der Kategorie der besten Independent Bücher mit dem Deutschen Fotobuchpreis 23/24 in Silber. Wegen der besonderen Körnung des abgelaufenen Films ähneln Derleths Blumenstilleben nur auf den ersten Blick denen des Langzeitextremisten Michael Wesely.

Günther Derleth: Blumenstrauß, Langzeitbelichtung mit der Lochkamera

Den Zauber der Natur preisen ebenso Jörg Schemmanns Bildwerke. Die frühen Arbeiten des Künstlers charakterisiert das schattenlos Unendliche, großformatig ins Bild gesetzter, himmelwärts strebender Kiefern. Es folgten Landschaften, Berge und – Blühendes. Zier-Johannisbeere, Begonie, Kirschblüten oder Waldreben setzt Schemmann in einer Malweise auf Leinwand oder Papier, die sucht und findet. Der Betrachter nimmt sowohl den Prozess als auch das fertige Gemälde wahr, weil am Ende alles eins ist, Harmonie und Begegnung mit der Natur. Von Weitem wirken Schemmanns Werke wie Fotografien. Erst bei näherem Hinsehen wird deutlich, wie sehr sich der Künstler im Malprozess vom Gegenstand entfernte, um ihm schließlich auf der Suche nach seinem Wesen, Schicht für Schicht in unverkennbarem Strich wieder zu begegnen.

Ausstellungseröffnung am Sonntag,
12. Mai 2024 um 11 Uhr

Dauer der Ausstellung 12. Mai bis 9. Juni 2024

Alte Mühle Eichhofen

Beitragsbild: Jörg Schemmann: Kirschblüte, 2023, Acryl auf Leinwand, 90 x 150 cm, Foto Herbert Stolz, Regensburg

Werden und Vergehen mit allen Sinnen erleben – Rauminstallation in Cham

CHAM. Vom Werden und Vergehen erzählt die große Rauminstallation von Andreas Feist, Mariko Takahashi und Stefan Winter im Cordonhaus in Cham. Skulptur, Klang und Video reflektieren dabei Gesellschaftspolitik, Leben und Tod ebenso wie die Geschichte des Gebäudes, in dem heute die Städtische Galerie untergebracht ist.

Der ehemalige Zehentstadel der Reichenbacher Propstei war zur Zeit der französischen Revolutionskriege Soldatenunterkunft und Glied (Cordon) in einer Kette von militärschen Stützpunkten. Die Rauminstallation „Eine letzte Generation – See- und Klangwelten“ ist exakt auf die Gegebenheiten im Cordonhaus abgestimmt. Ihre Komplexität bedient alle Sinne.

Wer von der Straße aus den Hofraum des Cordonhauses betritt und die Treppe hinaufsteigt zu den Ausstellungsräumen, wird vom Geräusch des tosenden Meeres und schreiender Möwen begleitet. Verträumt landet er bald auf dem Boden einer klebrigen Wirklichkeit. Sie mag die Verbindung herstellen zwischen dem Ausstellungstitel „Eine letzte Generation – See- und Klangwelten“ und der „Letzten Generation“, die zwar inzwischen aufgehört hat, sich festzukleben, an der aber das Synonym Klimakleber noch Generationen kleben bleiben wird. Auf klebriem Boden also, verzerrt abgebildet in spiegelnden Wänden, bewegt sich der Mensch mühsam weiter. So wird ihm das Kreatürliche seiner Existenz bewußt. Wellen schlagen ihm entgegen, während er sich auf einem Steg weiterbewegt …

Feine Bildsprache

In der Konzeption ihres Gemeinschaftswerks überließen Feist, Takahashi und Winter kaum etwas dem Zufall. Allerdings, die Platten aus denen der Steg besteht, der das Publikum durch die Ausstellung führt, dienten in ihrem ersten Leben als Schalungsplatten für den Betonkörper des Kühlturms beim Kernkraftwerk OHU II. Was für ein Zufall, denn natürlich passt das alles zur feinen Bildsprache des Bildhauers Andreas Feist und der Klang- und Videokunst von Mariko Takahashi und Stefan Winter.

… Über diesen Steg also gelangen Besucherinnen und Besucher in Andreas Feists Meer aus 1.300 Bögen handgeschöpften Papiers, die akkurat zu Dächern gefaltet und in die Fugen des charakteristischen Cordonhaus-Fliesenbodens gesetzt wurden. Blau und weiß kommt uns dieses Kunst-Meer in den Farben von ruhigem Wasser und Gischt entgegen, während die Acht-Kanal-Soundinstallation aus den Lautsprechern von Takahashi und Winter vom Ursprung des Lebens erzählt.

Szenen eines Schiffbruchs

Im gegenüberliegenden Raum zeigen Winter und Takahashi ihre Drei-Kanal-Video-Installation in zufälliger Reihenfolge. Sie nennen diese „Szenen eines Schiffbruchs“, in der sie die kraftvollen Bilder aus der Kunst- und Filmgeschichte wie Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, Théodore Géricaults „Das Floß der Medusa“ oder Werner Herzogs „Fitzcarraldo“ nachstellen. Aufnahmen von Explosionen auf der Oberfläche der Sonne und dem westlichsten Punkt Europas mischen sich mit den sonoren Klängen der Erde, aufgenommen von der Raumfähre „Challanger“ und bereitgestellt von der NASA. Blau vermittelt in diesem Raum Distanz, Weite und Unendlichkeit, das Unbewusste, das Unbekannte, die Sehnsucht und die Klarheit. So allegorisch ruhig dieser Raum zunächst auch wirken mag, es entwickeln sich in ihm blutige Szenen:

„Ein Wanderer seht einsam am Strand und blickt in die Ferne. Im blutigen Sand (…) sind Umrisse von Menschen zu erkennen. Ein gestrandetes Boot liegt im Sand. Ein Körper sinkt in die Tiefe, driftet ins Blau, als würde er emporsteigen. Wellen schlagen gegen Felsen, tosen nach oben ins Firmament, wo in tiefschwarzer Nacht ein Feuerball aufglüht. “ – So beschreiben Mariko Takahashi und Stefan Winter ihr sehr komplexes und anregendes Werk, entstanden unter der Kuratie von Galerieleiterin Anjalie Chabal.

Städtische Galerie Cordonhaus Cham
10.03. bis 21.04.2024


















#lebensgeschichte – der Junge mit dem Wespenstich

Noch bis zum 25. Februar zeigt die Städtische Galerie Cordonhaus Cham Werke von Rudi Tröger. Landschaftsbilder, Gartenstücke und Portraits des früheren Kunstprofessors an der Akademie in München vermitteln Stimmung, Persönlichkeit und Charakter. So etwa das Portrait „Wespenstich Andreas, von 1987/97“.

Sammler Andreas Pahler war ein besonderer Gast bei der Midissage der Chamer Ausstellung. Sein Elternhaus stand in der Nachbarschaft Rudi Trögers. Ebenso wie seine Geschwister saß Pahler dem Künstler wiederholt Modell. Er muss ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein, als ihn während einer Sitzung eine Wespe stach. „Am oberen Bildrand ist sie noch zu sehen“, sagt Pahler und freut sich über das Portrait.

Andreas Pahler vor seinem Portrait als 10-Jähriger (Foto: Julia Weigl-Wagner)

Galerist Fred Jahn erinnert sich daran, wie viele Jahre es dauerte, bis Tröger den Kunsthändler endlich in sein Atelier einlud. Dabei wollte Tröger mit seinen Bildern gar keine Geschäfte machen. Ehefrau Klara kaufte die Arbeiten ihres Mannes regelmäßig wieder zurück und erklärte: „Wir wollen unsere Bilder nicht verkufen.“

Dr. Michael Semff vom Vorstand der Tröger-Stiftung charakterisiert den Künstler als humorvoll, aber nicht beredt. Er hob die eigenständige Position Rudi Trögers hervor, der sich nicht an Strömungen orientierte, vielmehr dem Prozess des Malens folgte. Endlos hätte er überarbeitet, abgekratzt und wieder übermalt. Ein häufig wiederholter Kommentar Rudi Trögers zu Positionen zeitgenössischen Kunstschaffens soll gewesen sein: Das kann man schon machen.“

Ausser in der Städtischen Galerie Cordonhaus Cham sind Trögers Arbeiten aktuell im British Museum in London zu sehen. Die Ausstellung „Gesture and Line“ zeigt bis zum 1. April die Arbeiten von deutschen und österreichischen Nachkriegskünstlern.






















































































































#lebensgeschichte – Uwe Timm in Regensburg

Gestern im Theater Regensburg auf Einladung der Buchhandlung Dombrowsky: Ein großer Erzähler liest die kleinen Geschichten, aus denen sich allmählich immer mehr Leben zusammensetzte. Uwe Timms autobiografischem Werk „Alle meine Geister“ lebt von den starken Erinnerungen an Menschen, denen der Autor in den 50er und 60er begegnete.

Eriks Seemannsgarn

Eine Reihe von Anekdoten handeln von Erik, den Timm als Lehrling im eleganten Hamburger Pelzgeschäft Levermannvon kennenlernt. Erik ist weitgereist. Beim Pelzsortieren bleibt Zeit zum Erzählen. Kurz nach dem Krieg hatte er ein US-Visum ergattert und sich an Bord eines Frachters zum Hilfssteward „rübergearbeitet“. Er erzählte, dass sich die Sortiertische gebogen haben müssen. Eine von Eriks Geschichten erzählt Uwe Timm so:

„Dieser junge Mensch musste dem Kapitän regelmäßig eine Tasse Kaffee auf die Brücke bringen. Bei Wellengang schwappte der Kaffee über, und die Tasse war nur noch halb voll. Nachdem Erik jedes Mal angeschnauzt worden war, nahm er fortan einen kräftigen Schluck Kaffee in den Mund und spuckte ihn kurz vor der Tür zur Brücke wieder in die Tasse.“

Timm, Uwe: Alle meine Geister, 2023, S. 26

Gespräch mit Martin Hilscher

Im Gespräch mit Dr. Martin Hilscher, dem Lektor Uwe Timms, gibt der Schriftsteller zur Freude der Zuhörer*innen weitere Geschichten zum Besten. Unter anderem illustriert er auf der einen Seite die Prüderie der 50er und erinnert sich auf der anderen Seite an die Liebe seines Sohnes. Timm staunte nicht schlecht als das Mädchen eines Morgens in seinem Pyjama in der Küche erschien. Vor dem vollen Theatersaal machte Uwe Timm ein Gesicht als wolle er sagen: Mir blieb die Spucke weg.

#lebensgeschichte – KI hilft und Print wirkt

Die größte Neuerung auf meinem Schreibtisch – und vielleicht auch auf vielen anderen – war im vergangenen Jahr zweifellos die künstliche Intelligenz. Dabei begleitet sie mich schon lange und ich bin längst an sie gewöhnt. Word zeigt mir seit dem letzten Jahrhundert rot unterstrichen an, wo ich Fehler mache und leider auch, wo ich es genau so meine, wie es da steht. Auch beim Transkribieren von Interviews ist die künstliche Intelligenz eine große Hilfe. Besonders schätze ich, dass sowohl die Korrekturfunktion meines Schreibprogramms als auch die Transkriptionssoftware dazulernen. Aber ganz ohne meine Kontrolle kommen beide nicht aus. Zugegebenermaßen hat es eine neue Qualität, nach Eingabe von Hintergrundinformationen zu Thema, Zielgruppe, Textlänge und Funktion ein komplett KI-geschriebenes Produkt geliefert zu bekommen. Der erste Chat GBT-Text verblüffte mich sehr, und doch wäre er nicht entstanden, wenn nicht eine Reihe von Impulsen meinerseits sich mit den vielen Texten, mit denen die KI zuvor gefüttert worden war und an denen sie gelernt hatte, in einem gewaltigen Rechenakt zu einem neuen Text verbunden hätten …

Mein ganz persönlicher Digitalisierungsprozess

Am Ende des Jahres 2023, das als Jahr des Durchbruchs der Künstlichen Intelligenz in die Geschichte eingehen wird, dachte ich darüber nach, was sich in meinem Leben im Umgang und der Verarbeitung von Informationen in den letzten Jahren veränderte. Was war mein ganz persönlicher Digitalisierungsprozess als schreibender und lesender Mensch? Seit vielen Jahren lese ich Tageszeitungen digital. Die Artikel, Pressemitteilungen oder Reden, die ich verfasse, drucke ich nicht mehr aus, stattdessen benutze ich zwei große Bildschirme. Und doch ist mein Arbeitsplatz voll von Gedrucktem. Teile der Wochenzeitung brauche ich zum Heizen, seltener zum Fischeinwickeln. Kulturmagazine und eine regionale Wirtschaftszeitung landen regelmäßig in meinem Briefkasten. Sie inspirieren mich beim Durchblättern …

Ich schreibe Bücher, dachte ich angesichts des vielen bedruckten Papiers, das mich umgibt. Einer meiner Schwerpunkte als Autorin sind Biografien, die gedruckt, in die Hand genommen und analog gelesen werden. Warum also nicht einmal mit einer Printanzeige für meine Dienstleistung werben? Ich probierte es und stellte fest: Print wirkt. Meine Anzeige im IHK-Magazin „Wirtschaft konkret“ vom Januar 2024 wirbt für „Das Buch Ihres Lebens“.

#lebensgeschichte – Die Gewöhnliche Mehlbeere

Menschen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren wurden, erzählen mir überraschend oft von der Mehlbeere. Die orangfarbene bis rote Frucht erinnere sie an ihre Kindheit. Gelüstend nach Obst, so erzählen sie unabhängig voneinander, hätten sie sich die Miniaturäpfel händeweise in den Mund geschoben. Je öfter ich das Wort Mehlbeere in meinen lebensgeschichtlichen Interviews höre, umso mehr interessiere ich mich dafür. – Für mich, geboren in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, ein Grund, nachzufragen. Was ist eine Mehlbeere?

Baum des Jahres 2024

Am 27. Oktober 2023 wurde die Echte oder Gewöhnliche Mehlbeere, botanisch Sorbus aria, zum Baum des Jahres 2024 gekürt. Der Baum bringe ideale Eigenschaften mit, vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels. „Es ist zu erwarten, dass die Mehlbeere auch mit den zunehmenden Trockenperioden gut zurechtkommen wird. Daher wird sie zukünftig eine bedeutende Rolle in der Begrünung der Städte spielen“ (dpa vom 27.10.2023), begründete Stefan Meier, Präsident der Baum-des-Jahres-Stiftung, die Entscheidung für den Strauchbaum aus der Familie der Rosengewächse. Über die apfelförmigen Früchte der Mehlbeere lese ich unter pflanzen-vielfalt.net und auf anderen botanischen Erklärseiten, sie seien ohne besonderen Geschmack und erst nach dem ersten Frost oder Erhitzen genießbar. In Notzeiten sei Mehl mit gemahlenen Mehlbeeren gestreckt worden. In rohem Zustand könne der Verzehr der Mehlbeere wegen ihres hohen Vitamin-C-Anteils zu Magenverstimmungen führen. Und aus dem gleichen Grund Erkältungskrankheiten und Verdauungsbeschwerden kurieren.

„Das Auge isst mit.“ Wer kann sich des Genusses dieser leuchtend rot-orangen Frucht schon erwehren? Schade, dass sich Kinder heute nicht mehr so unbeschwert unbeaufsichtigt ausprobieren wie noch ihre Großeltern. Vielleicht ändert sich das bald, wenn in Zukunft in unseren Städten sehr viele Bäume des Jahres 2024 gepflanzt werden und wieder jeder Mensch weiß, was eine Mehlbeere ist.

Wer weiß mehr über die Mehlbeere? Wer hat sie schon einmal gegessen?

#cordonhaus Rudi Trögers dichte Bildsprache

Die Stadt Cham zeigt die starke Position eines stillen Malers Rudi Tröger (*1929). Bis zum 25. Februar 2024 präsentiert die Ausstellung „Rudi Tröger – Ausblicke und Innenschau“ 56 Arbeiten aus 7 Schaffensjahrzehnten des langjährigen Münchner Akademie-Professors. „Tröger ist ein herausragender Maler. Es ist selten und außergewöhnlich, dass man so etwas sieht“, freut sich Anjalie Chaubal, Leiterin der Städtischen Galerie Cordonhaus Cham. In ihrer Einführung bei der Ausstellungseröffnung lässt sie den Künstler selbst zu Wort kommen:

„Der Entstehungsprozess ist mir grundsätzlich wichtiger als das Resultat. Ein relativ ›abgeschlossenes‹ Bild kann durch kleinste Veränderungen wieder neu angetrieben werden; es muss so lange angetrieben werden, bis es sich allein bewegt. […] Im Arbeitsvorgang werden ohne Vorzeichnung einer bestimmenden Form, vom kleinsten Wert ausgehend, der von Anfang an die Fläche zum Schwingen bringen muss, Farbwerte verwoben, immer darauf bedacht, keine Durchbrüche zu dulden, durch dauerndes Verändern und Überlagern des Entstehenden, bis eine Verdichtung, ein Bildkörper, eine Bildhaut entstanden ist.“

Rudi Tröger über seine Malerei

Magische Szenerie von Rudi Tröger. Der 1. Bürgermeister der Stadt Cham, Martin Stoiber, und Anjalie Chabal eröffneten die Restrospektive des Künstlers. (Foto: Julia Weigl-Wagner)

Die Stadt Cham übertrug mir die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für diese Ausstellung. Ich danke Anjalie Chaubal für die schöne Zusammenarbeit und den Zugang zu dieser großartigen Malerei.

Städtische Galerie Cordonhaus Cham, Propsteistr. 46, 93413 Cham

Tel.: 0941 8579-420, http://www.cordonhaus-cham.de

Führungen an den Sonntagen, 26. Dezember 2023, 28. Januar 2024, 25. Februar 2024 jeweils 14 Uhr

Öffnungszeiten Mi – So und Feiertage 14 – 17 Uhr, Do 14 – 19 Uhr

geöffnet: 26.12. (2. Weihnachtsfeiertag), 01.01.2024 (Neujahr), 06.01.2024 (Hl. Dreikönige)

geschlossen: am 24./25.12. (Weihnachten), 31.12. (Silvester)

#lebensgeschichte – Dreiklang aus Raum, Mensch und Instrument

Xaver Eckert ist 23, studiert im Masterstudium für Historische Aufführungstechnik an der Hochschule für Musik und Theater in München und spielt Hackbrett. Beim seinem Auftritt in der Alten Kapelle in Regensburg fasziniert mich der Dreiklang aus Raum, Mensch und Instrument. Anrührend barock und gleichzeitig sehr zeitgemäß. Himmlisch klingt der Nachbau eines barocken Hackbretts mit goldfarbenen Stegen. Ob Xaver noch oft daran denkt, wie ihm das Hackbrett zum ersten Mal begegnete? – Beim Musikkarusell lernte er als Kind jede Woche ein anderes Instrument kennen. Das Hackbrett lernte er lieben.

Foto: Julia Weigl-Wagner