Gestern im Theater Regensburg auf Einladung der Buchhandlung Dombrowsky: Ein großer Erzähler liest die kleinen Geschichten, aus denen sich allmählich immer mehr Leben zusammensetzte. Uwe Timms autobiografischem Werk „Alle meine Geister“ lebt von den starken Erinnerungen an Menschen, denen der Autor in den 50er und 60er begegnete.
Eriks Seemannsgarn
Eine Reihe von Anekdoten handeln von Erik, den Timm als Lehrling im eleganten Hamburger Pelzgeschäft Levermannvon kennenlernt. Erik ist weitgereist. Beim Pelzsortieren bleibt Zeit zum Erzählen. Kurz nach dem Krieg hatte er ein US-Visum ergattert und sich an Bord eines Frachters zum Hilfssteward „rübergearbeitet“. Er erzählte, dass sich die Sortiertische gebogen haben müssen. Eine von Eriks Geschichten erzählt Uwe Timm so:
„Dieser junge Mensch musste dem Kapitän regelmäßig eine Tasse Kaffee auf die Brücke bringen. Bei Wellengang schwappte der Kaffee über, und die Tasse war nur noch halb voll. Nachdem Erik jedes Mal angeschnauzt worden war, nahm er fortan einen kräftigen Schluck Kaffee in den Mund und spuckte ihn kurz vor der Tür zur Brücke wieder in die Tasse.“
Timm, Uwe: Alle meine Geister, 2023, S. 26
Gespräch mit Martin Hilscher
Im Gespräch mit Dr. Martin Hilscher, dem Lektor Uwe Timms, gibt der Schriftsteller zur Freude der Zuhörer*innen weitere Geschichten zum Besten. Unter anderem illustriert er auf der einen Seite die Prüderie der 50er und erinnert sich auf der anderen Seite an die Liebe seines Sohnes. Timm staunte nicht schlecht als das Mädchen eines Morgens in seinem Pyjama in der Küche erschien. Vor dem vollen Theatersaal machte Uwe Timm ein Gesicht als wolle er sagen: Mir blieb die Spucke weg.

